Der amerikanische Architekt
durch dicht gedrängte Menschen und Reihen von Polizisten zu dem Saal durch, in dem die Anhörung stattfand. Asma war noch nie im Rathaus gewesen, aber sie waren spät dran und sie hatte keine Zeit, es sich genauer anzusehen. Der Saal war bereits voll. Plötzlich nervös, krampfte Asma die Finger ineinander. Ein Polizeibeamter, der dafür sorgte, dass der Andrang nicht zu groß wurde, musterte sie von oben bis unten und sagte: »Alles voll. Ab jetzt gibt es nur noch Plätze für Angehörige der Toten.«
Asmas Mund wurde trocken. Sie erinnerte sich an Lailas Warnung, jeden Kontakt mit der Polizei zu vermeiden. Aber Nasruddin ließ sich keinerlei Nervosität anmerken. »Sie ist eine Angehörige«, sagte er sehr von oben herab und zeigte Asmas Dokumente vom Roten Kreuz vor. »Ich bin ihr Dolmetscher.«
»In Ordnung«, sagte der Beamte, ließ seinen Blick über die Reihen schweifen und wies zwei andere Zuschauer an, ihre Plätze freizumachen. Wie aufregend es war, dachte Asma, ausnahmsweise einmal im Mittelpunkt der Ereignisse zu stehen. Sie sah die vielen Kameras, erinnerte sich an die Aufnahmen von der Bootstour, die sie im Fernsehen gesehen hatte. Jetzt war sie selbst mit in diesem Kreis, im Fernsehen, anerkannt als Angehörige. Sie blinzelte die Tränen zurück.
Die Anhörung begann. Mohammad Khan sah steif aus, hölzern, als er das Podium betrat. Er kniff die Augen gegen das helle Licht zusammen. Sie wünschte sich für ihn, dass er nicht so nervös wäre. Aber was er sagte, gefiel ihr, zumindest das, was Nasruddin übersetzte. Weniger gefiel ihr, dass Zuhörer ihn unterbrachen und Dinge schrien, von denen Nasruddin behauptete, er hätte sie nicht verstanden. Khan sah in ihren Augen immer nervöser aus.
»Ts-ts-ts!«, machte Nasruddin irgendwann und zog ein missbilligendes Gesicht. »Was sagt er da? Dass der Koran von Menschen geschrieben wurde? Ist er verrückt geworden?« Asma wusste nicht, wovon er redete.
Dann kam die Parade der Sprecher – ein braunhaariger Mann mit Brille, eine elegant gekleidete blonde Frau, eine Lady mit weißen Haaren, ein Vater mit seinem Sohn, und so weiter und so weiter.
Einer nach dem anderen betraten Menschen das Podium, was Asma an zu Hause erinnerte, als sie, noch als Schülerin, in einem Saal hatte sitzen müssen, Zettel mit einer Freundin getauscht und immer ungeduldiger mit den Beinen gezappelt hatte, während irgendein durchreisender Regierungsbeamter mit endlosen Begrüßungsansprachen überschüttet wurde.
Nasruddin übersetzte so gut er konnte, musste aber ganze Teile der Reden auslassen. Das wusste sie. Die Menschen sprachen zu schnell, als dass er alles übersetzen konnte. Leute drehten sich um und machten »Pst«. Sie sah sie mit gerunzelter Stirn an und versuchte, ihnen durch Blicke zu sagen, dass sie ebenso wie sie selbst das Recht hatte, das Gesagte zu verstehen. Weiter, weiter, drängte sie Nasruddin.
Zwei Stunden lang hörte Asma zu. Seit dem Versuch, die Existenz ihres Mannes zu leugnen, war sie nicht mehr so wütend gewesen. Jene, die sich für den Garten aussprachen, waren in der Minderheit verglichen mit denen, die dagegen waren. Einige von ihnen sagten, alles, was mit dem Islam zu tun habe, sei für sie »schmerzlich«, und dass der Garten ein Paradies für die Mörder sei, dass der Name Mohammad verbunden sei mit einer Religion der Gewalt, einer Religion des Schwertes. Der Vorsitzende ließ sie all diese Dinge sagen, als seien Muslime Bürger zweiter Klasse – oder schlimmer noch, als verdienten sie keinen Respekt.
Ihr Zorn wurde immer größer. Dass der Name des Propheten – Friede sei mit ihm – auf diese Weise im Mund geführt wurde! Dass Mohammad Khan auf diese Weise verunglimpft wurde!
»Ich will etwas sagen«, flüsterte sie Nasruddin zu und hob die Hand.
Er zog ihren Arm nach unten. »Das geht nicht.«
»Ich muss.« Ihr Arm schoss wieder in die Höhe.
Er wurde nach unten gezogen. »Denk an Abdul.«
»Was für ein Land ist das denn für ihn?« Sie riss den Arm erneut hoch.
Er zog ihn erneut nach unten. »Man wird dich ausweisen.«
»Lassen Sie mich reden«, zischte sie. »Helfen Sie mir, etwas zu sagen.«
Leute drehten sich um, um das Geschehen zu beobachten. Asmas Gesicht fing an zu glühen, ihre Knochen fühlten sich hohl an. Das kam sicher vom Fasten. Sie hatte noch nie in aller Öffentlichkeit gesprochen, schon gar nicht vor so vielen Menschen. Wenn sie sich nicht sofort in Bewegung setzte, würde sie gelähmt sein. Fetzen eines
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