Der amerikanische Architekt
verließ den Laden, begleitet vom Geräusch eines Messers, das durch Fleisch ratschte.
Er hatte versucht, Asma am Reden zu hindern, und das war falsch gewesen. Wie sollte er sie jetzt dazu bringen, auf ihn zu hören?
»Für wen schreiben Sie?«, fragte er die weiße Frau, die weder ihren Namen noch den ihrer Zeitung genannt hatte. »Es gibt bereits jede Menge Geschichten über sie. Ich finde, es reicht.«
»Die Post «, sagte die weiße Frau. »Ich versuche nur, ein Gefühl dafür zu bekommen, wer die Frau hinter dieser ganzen Geschichte ist, wie ihr Leben verlaufen ist, Sie wissen schon. Alles Mögliche eben.«
»Seit wann ist sie schon hier?«, fragte er seine Tochter auf Bengali.
»Eine Dreiviertelstunde vielleicht.«
»Was für Fragen hat sie gestellt?«
»Oh, eine Menge. Sie ist wirklich sehr nett. Wo Asma herkommt, und über Inam, und wieso sie nach Amerika wollten und wie sie hierhergekommen sind und so.« Tasleen wechselte ständig zwischen Bengali und Englisch hin und her, wie sie es zu Hause immer tat.
»Sprich bitte nur Bengali«, sagte er auf Bengali zu ihr, denn er wollte nicht, dass sich die Journalistin zusammenreimen konnte, worüber sie redeten.
»Aber Baba, du sagst doch immer, dass ich Englisch sprechen soll«, antwortete seine Tochter auf Englisch. Das stimmte, es war sogar der Grund für einen immer wieder aufflackernden Streit zwischen seiner Frau und ihm. Sie machte sich Sorgen, Tasleen könne ihr Bengali vergessen, was es schwieriger machen würde, einen guten Mann aus Bangladesch für sie zu finden. Er dagegen machte sich Sorgen, ihre schlechten Englischnoten könnten verhindern, dass sie an einem guten College angenommen wurde. Aber ihr Ton, und dass sie absichtlich missverstand, was er sagen wollte – wann hatte sich sein braves kleines Mädchen in einen renitenten Teenager mit dieser amerikanischen Einstellung verwandelt? Und wann hatte sie angefangen, sich die Lippen anzumalen? Die Zeit flog nur so dahin und hinterließ Vogelkot. Er musste unbedingt mit seiner Frau reden.
Er wagte nicht, seine Tochter zu fragen, ob Asma etwas über ihren Einwanderungsstatus gesagt hatte, aber genau das war seine Sorge – dass gewisse Regierungsstellen auf ihre Illegalität aufmerksam werden könnten.
»Haben Sie eine Visitenkarte?«, fragte er die Frau.
Er warf einen Blick auf den Namen, Alyssa Spier, und steckte die Karte ein. Den ganzen Rest des Tages und die ganze Nacht war er unruhig. Er sprach ein Gebet und versuchte vergeblich einzuschlafen. Als seine Frau ihn ohne ein Lächeln für die Ramadan-Mahlzeit vor Morgengrauen weckte, winkte er ab, setzte den Lieferwagen rückwärts aus der Einfahrt und fuhr so schnell es ging durch die noch dunklen Straßen zum Zeitungskiosk seines Freundes Hari Patel. Die Zeitungen waren noch nicht da, Hari auch nicht. Schließlich kam er, und sie warteten gemeinsam. Nasruddin ging unablässig auf und ab, fast so nervös wie bei Tasleens Geburt. Dann kam der Zeitungslaster. Der Fahrer hievte ein Bündel Posts hoch und warf es von der Ladefläche auf den Bürgersteig, wo es ein paar Schritte entfernt aufschlug. Hari lief hin, um die Schnur aufzuschneiden, aber Nasruddin brauchte nicht zu warten, bis er damit fertig war, um bestätigt zu sehen, was ihn hierhergetrieben hatte. Ein Foto von Asma nahm die ganze Titelseite ein – lachend, den Kopf zurückgeworfen, mit blitzenden Zähnen, als amüsiere sie sich über das Wort, das in riesigen Lettern über ihrem Gesicht stand:
ILLEGAL
Wieder einmal hatte sich Paul zu unchristlich früher Stunde in der Stadtwohnung der Gouverneurin eingefunden, aber dieses Mal hatte er Gesellschaft. Außer ihm war noch Kyle da, Bitmans Stabschef, und Harold Dybek, der Generalstaatsanwalt. Von einem überdimensionalen Ölgemälde an der Wand über ihnen blickten der verstorbene Ehemann der Gouverneurin und sein ebenfalls verstorbener Hund hochmütig auf sie herab.
»Guten Morgen allerseits.« Mit frischer Gesichtsfarbe, die, wie Paul wusste, von ihrem morgendlichen Training auf dem Crosstrainer herrührte und heute von einem marineblauen Kostüm betont wurde, kam die Gouverneurin ins Zimmer gerauscht. »Könnten Sie vielleicht versuchen, ein bisschen munterer auszusehen? So früh ist es schließlich auch nicht mehr.«
Dann unterzog sie Kyle einer detaillierten Befragung über die Reaktionen der Öffentlichkeit, die inzwischen in die Tausende gingen. Gemeinsam mit Lanny hatte er die Eingänge gesichtet und eine
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