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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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unangenehmen Neuigkeiten zu konfrontieren. Ihre Stirn runzelte sich. »Das Problem ist rauszukriegen, wieso sie sie nicht wollen«, wiederholte er langsamer. »Wenn sie sie nur deshalb nicht wollen, weil er Muslim ist – dann ist es leider so, dass Sie sich nicht auf die öffentliche Meinung berufen können. Nicht, wenn es nur um seine Religion geht.«
    »Dann hätten Sie, Paul, sofort einen Riegel vorschieben und sagen sollen, dass diese ganze Scheiße nicht zulässig ist.«
    »Aber Sie haben doch gesagt, die Leute brauchen eine Gelegenheit, Dampf ablassen zu können«, wehrte sich Paul, heilfroh darüber, dass es ihm gelungen war, der Gouverneurin die Hände zu binden, indem er tat, was sie von ihm verlangt hatte. »Und genau das haben sie getan.«
    Ihre Pupillen verengten sich. »Sie haben sich über den Entwurf Luft gemacht. Der Entwurf, nicht seine Religion, ist das Problem. Er hat ein islamisches Paradies geschaffen!«, giftete sie. »Und wenn uns nichts anderes einfällt, sollten wir ihn allein deshalb ablehnen, weil er ein Idiot ist. Hat er wirklich gedacht, dass er damit durchkommt?«
    »Das Problem ist«, sagte Harold mit einem weiteren Blick auf Kyle, »dass er nicht zugegeben hat, dass der Garten ein Paradies ist. Tatsächlich hat er in der Anhörung ausdrücklich gesagt, dass islamische Gärten nur ein möglicher Einfluss sind und dass die Eigenschaften, die wir nun als islamisch herauspicken, sogar älter sind als die Religion. Was bedeutet, dass wir, nur weil er Muslim ist, vermuten, dass es ein Märtyrergarten oder was auch immer ist. Und damit hat er, nicht wir, die Verfassung auf seiner Seite. Wenn ein Katholik denselben Garten entworfen hätte, würde niemand auch nur einen Mucks von sich geben. Und selbst wenn er zugäbe, dass …«
    »Was er nicht tun wird«, warf Paul ein.
    »Würde wahrscheinlich auch das nicht ausreichen, um ihn abzulehnen, da – ich habe mich ein bisschen kundig gemacht – diese Ikonografie nicht nur religiös, sondern auch kulturell ist. Es ist schwer, das voneinander zu trennen.«
    »Falls es eure Sorgenlast erleichtert, werde ich den Entwurf einfach als ungeeignet befinden, ohne zu sagen, wieso. Ich bin schließlich die Gouverneurin«, fügte sie hinzu. »Ich habe das Recht, einfach zu befinden.«
    »Königinnen haben das Recht, einfach zu befinden«, kam es von Paul. »Gouverneurinnen sollten besser eine Erklärung parat haben.«
    Er fing sich einen finsteren Blick ein. »Schön. Die Pflanzen werden eingehen, und das wird schrecklich deprimierend sein. Ist Ihnen das Begründung genug?«
    »Die Begründung muss vor Gericht standhalten«, widersprach Harold und hielt seine blank polierte Brille ins Licht, um sie auf Schlieren zu untersuchen, weil er dadurch Bitmans Blick ausweichen konnte. »Der Staat und die Stadt sind für die Wartung und Pflege der Gedenkstätte verantwortlich. Wenn die Pflanzen eingehen, wird das unsere Schuld sein, nicht die des Entwurfs –«
    Ihr eisiges Lächeln brachte ihn zum Verstummen. Reihum musterte sie die Gesichter der Anwesenden und senkte dann, als sei sie von ihnen enttäuscht, den Blick auf ihre ausgestreckten Hände. Als sie ihn anschließend wieder hob, konnte man meinen, sie wolle sie alle auf einmal verschlingen. »Wir sorgen uns also um einen möglichen Rechtsstreit? Dass Khan uns verklagen könnte?«
    »Absolut«, bestätigte Harold. »Wenn wir ihm seine Gedenkstätte verweigern und er vor Gericht geht –«
    »Werde ich aussagen müssen, aus welchem Grund ich mein Veto eingelegt habe –«
    »Ja, und –«
    »Könnten Sie mir noch einmal erklären, wieso das so furchtbar wäre?« Sie blinzelte Paul zu und er wusste, dass sie sich bereits im Zeugenstand sah, in einem Gerichtsverfahren, über das alle Medien des Landes berichten würden. Sie würde darlegen, dass sie nur versucht hatte, die Gedenkstätte, ganz Amerika, gegen die islamistische Bedrohung zu verteidigen. Selbst wenn der Staat das Verfahren verlor, würde sie gewinnen. Bisher waren ihre Umfragewerte jedes Mal, wenn sie gegen Khan in die Offensive gegangen war, gestiegen. Er war ihr Sauerstoff.

22
    A sma wurde vor Sonnenaufgang wach. Die Dunkelheit umfloss sie wie Wasser, füllte jede Öffnung, jede Mulde ihres Körpers: ihre Nasenlöcher, die Stelle, wo ihre Lippen aufeinandertrafen, die Kerbe zwischen ihren Brüsten, ihren Nabel, die Kluft zwischen ihren Beinen, die Ritzen zwischen ihren Zehen. Im Geist flog sie nach Bangladesch, wie um sich vorzubereiten.

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