Der amerikanische Architekt
repräsentative Auswahl zusammengestellt, damit die Gouverneurin und die Juroren sich ein Bild machen konnten. Insgesamt stand es sechs zu eins gegen Khan, erläuterte Kyle, ein ausgesprochenes Arschloch, der normalerweise kein Blatt vor den Mund nahm, heute jedoch ungewöhlich zahm wirkte.
»Die Anhörung scheint die Meinungen aber doch zugunsten Khans beeinflusst zu haben«, warf Paul ein. »Dass er über seinen Entwurf gesprochen hat, hat die Opposition anscheinend ein bisschen besänftigt.« Von Lanny wusste er, dass dieser Stimmungswechsel nicht so sehr auf Khans ziemlich dahingestotterte Erläuterung zurückzuführen war, sondern auf die junge Frau aus Bangladesch, die derart leidenschaftlich gesprochen hatte. Wie es aussah, war es immer noch möglich, die amerikanische Bevölkerung zu beschämen. Diese Asma hatte einen schlafenden edlen Impuls in den Leuten geweckt.
»Khan hatte überhaupt nichts damit zu tun«, sagte die Gouverneurin dann auch prompt. »Alles nur zurückzuführen auf die ›bengalische Torvorlage‹, wie Kyle es so schön formuliert hat.« Kyle bewegte die Schultern, als jucke es ihn. »Und ich denke, die hat sich inzwischen erledigt.« Ihr Lächeln war siegessicher.
Paul starrte sie an. Eine Karriere in der Investmentbranche machte selbst die empfindsamste Seele, was er beileibe nicht war, unempfänglich für Skrupellosigkeiten. Aber jetzt blieb ihm der Mund offen stehen. War es etwa Geraldine gewesen, die den Immigrationsstatus von Asma Anwar an Alyssa Spier weitergegeben hatte? Der jungen Frau stand nun die Ausweisung bevor. Der Präsident höchstpersönlich hatte bedauernd erklärt, dass die Einwanderungsbehörden sich unmöglich blind stellen konnten, auch wenn ihre Geschichte noch so tragisch sei. Allerdings stand diese Ausweisung noch lange nicht fest. Asmas Anwältin hatte versichert, dass sie mit allen Mitteln dagegen ankämpfen würde, was Jahre dauern konnte, und Anhänger im Kongress und anderswo forderten eine »Gnadeneinbürgerung«. Trotzdem war ihr Leben völlig auf den Kopf gestellt worden, erst recht seit der anschließenden Enthüllung, dass sie von der Regierung eine Entschädigung in Höhe von einer Million Dollar erhalten hatte. Hatte Geraldine auch diese Information durchsickern lassen, um Asma Anwar Sympathien zu entziehen? Die Ambitionen der Gouverneurin übertrafen Pauls Vorstellungsvermögen immer wieder. In diesem Fall beleidigten sie auch sein Gefühl für Anstand. Die ›bengalische Torvorlage‹ hatte auch Paul schwer beeindruckt.
»Erde an Paul«, kam es ungeduldig von Geraldine. Sie wollte von ihm wissen, wie lange sie nach Bekanntgabe der Entscheidung der Jury warten sollte, bevor sie ihre eigene Entscheidung bekanntgab. Und ob sie gleich anschließend eine neue Jury einberufen sollte. »Ich finde, ja«, sagte sie. »Eine mit mehr Familienmitgliedern.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob sich das alles wirklich so glatt abwickeln lassen wird, Geraldine« – sie versteifte sich, er verbesserte sich –, »Gouverneurin. Angenommen, die Juroren bleiben bei ihrer Entscheidung für Khan, und es sieht ganz danach aus, werden sie nicht sehr glücklich darüber sein, wenn Sie Ihr Veto einlegen.«
»Dann sollten sie mal die Statuten lesen. Sie haben keine Handhabe dagegen.«
»Aber Sie werden eine suchen«, entgegnete Paul. »Sie wollen nicht, dass ausschließlich aufgrund der Gefühle der Öffentlichkeit entschieden wird. Vielleicht erinnern Sie sich, dass wir genau aus diesem Grund eine Jury eingesetzt haben – um eine ausgewogenere Entscheidung zu gewährleisten, als man sie von der Öffentlichkeit erwarten könnte –, allein schon aus zeitlichen Gründen, sollte ich vielleicht hinzufügen.«
»Und die Jury hat ihre Sache ja auch so absolut wundervoll gemacht«, sagte Bitman mit hochgezogenen Augenbrauen. »Jedenfalls war immer vorgesehen, dass auch die Meinung der Öffentlichkeit ins Gewicht fallen soll, und die Öffentlichkeit hat laut und deutlich kundgetan, was sie will. Diese Gedenkstätte nicht.«
Die Blicke, die Kyle und Harold miteinander tauschten, ließen Paul an zwei Brüder denken, die darüber stritten, wer ihrer Mutter gestehen sollte, dass ihre heißgeliebte Teekanne von Spode zu Bruch gegangen war.
»DasProblemistrauszukriegenwiesosiesienichtwollen«, sprudelte Kyle viel zu schnell hervor. Er war verdammt gut darin, anderen unangenehme Entscheidungen der Gouverneurin zu überbringen, hatte aber keine Übung darin, sie selbst mit
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