Der amerikanische Architekt
oder ein Gerücht ist.«
»Wir Zeitungsleute sehen das etwas anders.«
»Aber Sie haben keine Bestätigung?«
»Sie haben sie mir gerade gegeben.«
Paul schrak zusammen.
»War nur ein Scherz, Paul. So etwas würde ich Ihnen nie antun. Aber Alyssa ist hartnäckig – irgendwann wird sie ihre Bestätigung bekommen. Hören Sie, ich verstehe Ihre Situation, aber verstehen Sie bitte auch meine: Es wäre eine explosive Exklusivstory.«
»Explosiv ist richtig, Fred. Dieses Land kann im Augenblick nicht mit so etwas umgehen. Ich weiß, Sie müssen eine Zeitung verkaufen und sehen es als Ihre – äh – Pflicht an, über solche Dinge zu berichten, aber es stehen wichtigere Prinzipien auf dem Spiel. Diese Sache kommt einer nationalen Sicherheitsfrage so nahe, wie es nur geht, ohne eine nationale Sicherheitsfrage zu sein. Ich brauche nur etwas Zeit, die Gelegenheit, das alles noch ein wenig länger unter Ausschluss der Öffentlichkeit handhaben zu können.«
Fred schwieg eine Weile. Aus dem Augenwinkel sah Paul Barry Diller an der Seite Diane von Fürstenbergs in die Bar stolzieren. Für ihr Alter war sie erstaunlich attraktiv, mit ihren wie Mandarinen vorstehenden Wangenknochen. Paul machte einen Finger krumm, und der Kellner brachte ihnen frische Drinks und eine neue Schale Salzmandeln, da Paul die erste bereits geleert hatte.
»Und wie schätzen Sie Bitmans Chancen ein?«, fragte Fred, und Paul wusste, dass er für den Augenblick nichts zu befürchten hatte.
5
E in Jahr nach den Anschlägen waren Meldungen über verhaftete oder unter Verdacht stehende Muslime und das ständige Analysieren der »wahren« Natur des Islam für Mo zu einem permanenten Hintergrundgeräusch geworden. Den Vordergrund bildete seine Arbeit, hinter der geopolitische Ereignisse, ernsthafte Beziehungen und sogar ein zweiter Sessel sowie ein richtiges Bett für seine hallende Loftwohnung zurückstehen mussten. Das alles konnte warten, bis er es »geschafft« hatte, obwohl er sich bewusst war, dass Erfolg für einen Architekten, falls er überhaupt kam, meistens erst spät kam. »Du kannst dein Leben doch nicht bis in alle Ewigkeit hinausschieben«, sagte seine Mutter immer wieder. Je mehr er auf die vierzig zuging, desto mehr sorgte sie sich, weil er noch ebenso weit davon entfernt war, zu heiraten und Kinder in die Welt zu setzen, wie mit zwanzig. Wenigstens konnte er ihr jetzt sagen, dass sein Verzicht sich demnächst auszahlen würde.
Die Gerüchte, so oft wiederholt, dass sie fast zur Gewissheit geworden waren, besagten, dass Mo heute zu einem der Projektleiter der Firma ernannt werden würde. Um vier kam Emmanuel Roi, der Firmengründer, ins Büro gerauscht wie ein Laubbläser, der alles und jedes in seinem Weg aufwirbelte. Am Schreibtisch eines Architekten, der an einem Modell arbeitete, blieb er stehen. »Wissen Sie, wie das da aussieht?«, fragte er. »Merde. Es sieht aus, als wäre ein Hund auf den Schreibtisch geklettert und hätte einen Haufen hingesetzt.« Er liebte es, gleich zu Beginn seiner Stippvisiten Eindruck zu hinterlassen.
Eine Stunde später rief er Mo in sein verglastes Büro, das, seinem eigenen berühmten Diktum zufolge, »nichts verbergen, alles offenlegen« sollte. Abgesehen davon konnte man natürlich auch alles sehen, was jenseits der Glasscheibe vor sich ging. Mo hatte die letzte halbe Stunde damit verbracht zu üben, wie er die Beförderung aufnehmen würde, und brauchte ein paar Augenblicke, um zu begreifen, was Roi gerade gesagt hatte: Die Beförderung ging nicht an ihn, sondern an den magersüchtigen Percy Storm, den Mo und Thomas Kroll, sein bester Freund in der Firma, hinter seinem Rücken Stormtrooper nannten.
»Storm?«, krächzte Mo, der kaum noch Luft bekam.
Roi fuhr sich mit der Hand über den silberstoppeligen Schädel, seine Augen waren schwarze Abgründe. Mo drängte ihn, ihm Gründe zu nennen, vergeblich. Hatte Roi, fragte er sich, irgendwie Wind davon bekommen, dass Mo und Thomas vorhatten, sich irgendwann abzusetzen und ein eigenes Büro aufzumachen? Thomas hatte sogar schon den Namen registrieren lassen, K/K-Architekten. Mo konnte ihn nicht darauf ansprechen, ohne sich zu verraten, und formulierte stattdessen allgemein gehaltene Fragen wie die, ob Roi etwa mit ihm unzufrieden sei. Worauf dieser ihm aalglatt versicherte: »Ihre Zeit wird kommen.«
»Haben Sie vielleicht Probleme mit … mir? Mit meinem Auftreten?«
»Natürlich nicht, Mo. Ich habe absolut keine Probleme mit Ihnen.« Das
Weitere Kostenlose Bücher