Der amerikanische Architekt
Edith«, brummte er, den Blick auf die Eier gerichtet, die ihn an eine auslaufende Sonne erinnerten.
Er ging in sein Arbeitszimmer, wo sein Blick als Erstes auf ein Foto in einem schwarzen Lederrahmen fiel, das sich an eine dekorativ gealterte Gibbon-Ausgabe lehnte und ihn selbst zusammen mit Gouverneurin Bitman zeigte. Paul und die Gouverneurin schüttelten sich breit lächelnd die Hand. Mit diesem Handschlag war Pauls Vorsitz über die Wettbewerbsjury besiegelt worden.
Sein Handy klingelte, kaum dass er am Schreibtisch saß.
»Mr Rubin? Hier spricht Alyssa Spier – Sie erinnern sich? Von der Daily News .«
Er erinnerte sich, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, alle Pressevertreter zu kennen, die das Auswahlverfahren verfolgten. Alyssa Spier war nicht schlimmer als die anderen, vielleicht sogar einen Tick besser – sie stutzte seine Äußerungen zwar zusammen, zerhackte sie aber nicht völlig. Er rief sich ihr Bild ins Gedächtnis: klein, dicklich, Brille, schlaffe Haare, ständig zuckende Lippen, als brenne sie darauf, die nächste Frage zu stellen. Die Sorte, die in Fragen träumt.
»Was kann ich für Sie tun?«
»Eine meiner Quellen sagt, dass ein muslimischer Mann den Wettbewerb gewonnen hat. Könnten Sie mir das bitte bestätigen?«
Paul umklammerte die Schreibtischkante wie den Rand einer Klippe. Wer war der Judas? Wer hatte geredet? »Ich kann Ihnen gar nichts bestätigen«, sagte er. »Es gibt noch keinen Gewinner.« Entsprach das zumindest formal gesehen der Wahrheit? Bei einer Lüge ertappt zu werden, hätte ihm gerade noch gefehlt.
»Tut mir leid, aber ich habe etwas anderes gehört, nämlich dass der Gewinner ein Mr – Mr – Mr – äh, einen Augenblick, ich muss in meinen Unterlagen nachsehen.«
Selbst durchs Telefon war zu spüren, dass sie nur bluffte. Sie hatte keinen Namen. Paul schwieg.
»Ich kann ihn im Augenblick nicht finden. Hören Sie, ich werde selbstverständlich nicht schreiben, dass ich die Bestätigung von Ihnen habe. Das bleibt fürs Erste unter uns, obwohl ich später eine offizielle Bestätigung von Ihnen brauchen werde. Im Augenblick möchte ich mich nur vergewissern, dass meine Quelle zuverlässig ist.«
»Und Ihre Quelle wäre …?« Er musste es wissen. War es einer seiner Juroren? Verzweifelt versuchte er dahinterzukommen, wer ein Interesse daran haben konnte, diese Sache publik zu machen. Nicht die Protokollantin, deren Rücken sich so versteift hatte, als er sie an das Stillschweigeabkommen erinnerte. Claire? Glaubte sie, sie alle auf diese Weise vor vollendete Tatsachen stellen zu können?
»Sie wissen, dass ich meine Quellen nicht preisgeben kann. So wie ich auch Sie nicht preisgeben würde«, gurrte Alyssa.
Paul verlegte sich auf seinen Strenger-Vater-Tonfall, was ihn leider nur wenig Mühe kostete. »Alyssa, ich habe Ihnen nichts zu sagen, weder offiziell noch inoffiziell. Ich würde Ihnen ja gern helfen, wenn ich könnte, und natürlich werden wir in Kürze einen Gewinner haben, aber heute habe ich nicht das Geringste für Sie.«
Er beendete das Gespräch. Denk nach, Paul, denk nach. Es war eigenartig, aber diese Krise inmitten der Krise war eine gewisse Erleichterung, da er genau wusste, wie man mit derartigen Problemen umging. Man überlegte, wen man unter Druck setzen und an welchen Hebeln man ziehen konnte. Man erinnerte Leute an Gefälligkeiten, die sie einem schuldig waren, stellte anderen zukünftige Gefälligkeiten in Aussicht. Mit dem Gefühl, wieder Herr der Lage zu sein, suchte er die Nummer heraus, die er brauchte, und wählte.
»Fred, Paul Rubin hier. Könnten wir uns später auf einen Drink treffen?«
Paul hatte den Chefredakteur der Daily News gebeten, ihn im Four Seasons zu treffen. Er wollte ein Ambiente, das Bedeutsamkeit vermittelte, und 20-Dollar-Martinis trugen eine Menge dazu bei.
»Ich glaube, ich weiß, weshalb ich hier bin«, sagte Fred mit einem Lächeln, als sie in einer ruhigen Ecke Platz genommen hatten. Bernsteinfarbenes Licht umfloss sie wie teurer Whisky.
»Was möchten Sie trinken?«, fragte Paul.
»Einen Jameson«, sagte Fred.
»Sind Sie sicher? Wollen Sie nicht lieber diesen GlenDronach Grandeur versuchen? Zwei, bitte«, sagte er zum herbeigeeilten Kellner. »Pur.«
Sobald sie allein waren, wandte er sich direkt an Fred. »Wahrscheinlich brauche ich Ihnen nicht zu sagen, wie diffizil diese Situation ist.«
»Alyssa hat also recht?«
»Das habe ich nicht gesagt. Es ist absolut irrelevant, ob es eine Tatsache
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