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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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Religion billigst?«
    »Das habe ich zwar nicht gesagt, aber lass uns fürs Protokoll an dieser Stelle festhalten, dass ich den Islam für eine ziemlich coole Religion halte.«
    »Oh, es macht dich also an, mit einem Muslim zusammen zu sein?«
    »Mo! Was ist bloß in dich gefahren?«
    Sie stritten weiter. Das heißt, Mo machte damit weiter, verbale Rundumschläge auszuteilen, und Yuki riss die Arme so lange abwehrend hoch, bis sie lahm wurden.
    »Es ist mir völlig egal, dass du ein Muslim bist, Mo, aber es ist mir nicht egal, dass du ein Arschloch bist«, sagte sie, und er wusste, dass sie am Ende ihrer Beziehung angelangt waren.
    Zeichentrickfiguren wuselten über einen Platz vor einem Bürogebäude. Dann fuhr die Kamera an einen dunkelhäutigen Mann mit Bart und Rucksack heran und –
    BUMM ! Das Geräusch der explodierenden Bombe war so laut und kam so unerwartet, dass mehrere der Zuschauer auf ihren Sitzen zusammenzuckten. Der Bildschirm wurde schwarz. Als er kurz darauf wieder hell wurde, wuselten die Zeichentrickfiguren nicht länger herum, weil sie tot waren. Das Licht im Saal ging an und beleuchtete ein Banner mit der Aufschrift ARCHITEKTUR GEGEN TERRORISMUS an der einen Wand und einen Raum voller Architekten, unter ihnen Mo.
    »Nun, was meinen Sie? Wie können wir die Risiken verringern?«, fragte der britische Experte für Terrorismusbekämpfung, der das Seminar leitete. Er hieß Henry Moore, was einige seiner Zuhörer zu einem schiefen Lächeln veranlasst hatte. Seine Haut war so rau wie die Kruste eines Kartoffelauflaufs, seine Zähne in einem überraschend guten Zustand.
    »Wir könnten damit aufhören, in andere Länder einzumarschieren«, sagte ein Mann.
    »Wir sollten ausnahmslos jeden durchsuchen – so wie sie es in Israel machen.«
    »Rucksäcke verbieten.«
    »Sehr schön. Allerdings sind das alles keine … architektonischen Lösungen«, sagte Henry.
    »Splittersicheres Glas«, schlug ein Arschkriecher vor. »Und natürlich Fahrzeugsperren.«
    »Ausgezeichnet. Weitere Vorschläge? Vielleicht etwas – ein bisschen Kreativeres?«
    Schweigen. Henry begann seinen Vortrag mit geschichtlichen Vorgängern – hoch oben auf Plateaus gelegene Ritterburgen, von Wassergräben umgebene Städte – und ging dann zu moderneren Zeiten über. Denkbar waren riesige Pflanzkübel und gigantische, kunstvoll platzierte Bänke, Skulpturen von Richard Serra (»Verteidigungskunst«), serpentinenförmige Zufahrtswege mit unauffälligen Kontrollpunkten, Schulen, deren Fenstergitter sie wie Gefängnisse aussehen ließen, Blendfenster. Schönheit und Sicherheit waren keineswegs unvereinbar, dozierte er, obwohl er kaum Beispiele genannt hatte, die das belegten. Was Mo reizte, es selbst zu beweisen. Er arbeitete am besten, wenn ihm Einschränkungen auferlegt wurden. ROI hatte diverse Preise für ein Museum für Behinderte eingeheimst, in dem die Geschichte ihrer Erfahrungen in Amerika dargestellt wurde. Mo hatte die Hauptarbeit geleistet. Wie viele andere Architekten war auch er in seinem Mitgefühl selektiv. Hätte er hinter einem Mann festgesteckt, der versuchte, sich im Rollstuhl über einen Bürgersteig in Manhattan zu schlängeln, hätte er das Hindernis verflucht. Doch sobald man ihm die Situation eines Querschnittsgelähmten als architektonisches Problem vorlegte, setzte er sich in den Rollstuhl und spürte die bleierne Schwere seiner Glieder. Für das Museum hatte er sich von Berg-und-Tal-Bahnen inspirieren lassen, dem schwindelerregenden Himmelfahrtsgefühl auf dem Weg nach oben, und eine Serie von Rampen entworfen, die sich im Inneren des Gebäudes kreuz und quer nach oben zogen und sowohl nach innen als auch nach außen unerwartete Ausblicke boten.
    Jetzt spielte er mit dem Problem der städtischen Sicherheit: Würde man sich Gebäude wünschen, die sich damit brüsteten, wie sicher sie waren, oder lieber welche, die einen vergessen ließen, dass man Angst hatte? Es war leicht, sich über die Zinnen und Burggräben lustig zu machen; schwieriger war es herauszufinden, ob sich etwas davon verwenden ließ. Eine Barriere aus Wasser ergäbe einen sehr viel ansprechenderen Anblick als eine Betonfläche. Ein zickzackförmiger Gebäudezugang mit Ausblicken, die sich in den Mauern öffneten, könnte die Annäherung zu einem visuellen Abenteuer machen. Er behielt diese Gedanken für sich.
    »Meinen Sie nicht, wenn Sie die harten Ziele noch sicherer machen, nehmen die sich einfach die weichen vor?«, fragte eine der

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