Der amerikanische Architekt
grüßte er und legte den Hörer auf. Drei Fernsehgeräte – auf CNN , MSNBC und Fox News eingestellt – flackerten ohne Ton vor sich hin. Drei Fernbedienungen lagen ordentlich nebeneinander aufgereiht auf dem Schreibtisch.
»Hallo«, murmelte Mo als Antwort.
Malik, so gut gekleidet und so gut gebaut, wie es im Fernsehen den Anschein gehabt hatte, aber kleiner, erhob sich und kam um den Schreibtisch herum, um Mo die Hand zu schütteln. Sein Händedruck war fest.
Mo hatte ihn auf gut Glück angerufen und sich dabei wie ein flüchtiger Verbrecher gefühlt, der sich selbst stellen will. »Ich bin der Muslim«, hatte er gesagt, als er Malik endlich am Apparat hatte. Und, als Malik nicht verstand: »Der mysteriöse Muslim. Von der Gedenkstätte.«
»Ohhh«, hatte Malik gesagt. »Wow!«
Das Glitzern, das bei diesem Telefonat in Maliks Stimme mitgeklungen hatte, war jetzt in seinen Augen zu sehen. Er führte Mo in einen Raum, in dem sich der ganze MACC -Vorstand versammelt hatte. Der Rat war eine Dachorganisation für alle möglichen muslimischen Gruppen, einige politisch, andere religiös, während wieder andere sich mit juristischen Fragen befassten. Der Vorstand war beeindruckend in seiner Verschiedenartigkeit: Südasiaten, Afro-Amerikaner, Araber, bärtige und glatt rasierte Männer, in Anzügen und Djellabas, zwei Frauen mit Kopftüchern und eine – bemerkenswert schön, schwarzhaarig, in einem auberginefarbenen Kostüm – ohne. Mos Blick verharrte bei ihren dunklen Augen, den vollen Lippen und der prägnanten, aber gefälligen Nase und erntete ein Nicken, das auf eine gewisse Billigung schließen ließ.
Auf Maliks Aufforderung hin erzählte Mo seine Geschichte. »Ich habe vollstes Verständnis«, sagte ein älterer Mann, der sich als Imam Rashid vorgestellt hatte, kaum dass Mo fertig war. »Sie haben versucht, das Richtige zu tun, Sie haben eine versöhnliche Hand ausgestreckt. Ich selbst bin nach den Anschlägen zum Gelände gegangen und habe meine Hilfe angeboten und andere Imame überredet, dasselbe zu tun. Dann hat das FBI einen Informanten in meine Moschee eingeschleust.«
»Allah wird Sie belohnen«, sagte ein anderer. »Sie haben etwas Gutes für uns alle getan und gezeigt, dass Muslime friedlich in Amerika leben wollen.«
»Aber will Amerika friedlich mit den Muslimen leben?«, fragte ein Mann namens Ansar, ein außenpolitischer Lobbyist, in herausforderndem Ton. »Wenn wir schon von Gedenkstätten reden – wo ist die Gedenkstätte für die halbe Million irakischer Kinder, die durch US -Sanktionen ums Leben kamen? Für Tausende unschuldiger Afghanen, die in der Folge der Anschläge getötet wurden, oder für die Irakis, die unter dem Vorwand einer Reaktion auf die Anschläge den Tod fanden? Für alle Muslime, die in Tschetschenien, Kaschmir oder Palästina abgeschlachtet wurden, während die USA tatenlos zusahen? Wir hören ständig, dass es drei Stunden dauern wird, die Namen derer zu verlesen, die bei den Anschlägen starben. Wissen Sie, wie lange es dauern würde, die Namen einer halben Million toter irakischer Kinder zu verlesen? Einundzwanzig Tage!«
»Wir kommen zu weit vom Thema ab«, murmelte Malik.
»Absolut nicht«, widersprach Ansar. »Der hiesige Anschlag verliert nichts an Tragik, wenn wir auf diese anderen Tragödien hinweisen und die gleiche Zeit, die gleiche Beachtung dafür verlangen. Es heißt doch immer, wenn man sich einen Western ansieht, ist man für die Cowboys oder die Siedler, aber wenn man die Geschichtsbücher liest, ist man für die Indianer. Im Augenblick sitzen die Amerikaner in einem verschlossenen Kino, in dem ausschließlich Western laufen. Wir müssen die Türen dieses Kinos aufbrechen.«
»Ich bin Architekt, kein Politiker«, sagte Mo in der Hoffnung, die Debatte in eine andere Richtung zu lenken. »Und ich bin Amerikaner. Ich wollte zum Gedenken an den Angriff gegen Amerika beitragen. Die Afghanen, die Irakis und all die anderen, von denen Sie gesprochen haben, können gern ihre eigenen Gedenkstätten bauen.«
»Es ist schwer, an so etwas zu denken, wenn man unter Besatzung lebt oder mit Bomben beworfen wird«, sagte Ansar.
»Wir können nicht verlangen, dass Mohammad den Wasserträger für jedes muslimische Anliegen oder jedes muslimische Land abgibt«, meldete sich Laila Fathi, die Frau ohne Kopftuch, zu Wort. Ihre Stimme hatte einen melodisch-verführerischen Klang, der andere wahrscheinlich veranlasste, sie zu unterschätzen. »In diesem Augenblick
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