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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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vor, womit die juristische Drohung in der Luft läge. Vielleicht wäre es sogar gut, wenn ich an Ihrer Stelle die Fragen beantworten –«
    »Ich finde nicht, dass das der richtige Ansatz ist«, sagte Ansar.
    »Und ich finde, dass die Vorstände, oder zumindest Issam und Jamilah, auch auf dem Podium sein sollten, sonst denken die Leute noch, Ms Fathi ist unsere Repräsentantin«, schlug Imam Rashid vor.
    Eine unbehagliche, fast sogar ungute Stimmung machte sich im Raum breit. Mo sah zu Laila hinüber. Sie war, eine Spur zu konzentriert, in ihre Notizen vertieft.
    »Ich halte es für eine ausgezeichnete Idee«, sagte er. »Ms Fathi soll alle Fragen für mich beantworten.« Sie presste die Lippen aufeinander. Mo konnte nicht sagen, ob sie sich über seine Unterstützung freute oder nicht.
    »Der Vorstand muss trotzdem auf dem Podium vertreten sein«, beharrte Imam Rashid. »Issam?«
    Kurz darauf löste die Versammlung sich auf. Mo schaffte es, den Raum zusammen mit Laila zu verlassen. »Was war das denn eben? Was spielt sich zwischen denen und Ihnen ab?« Trotz seiner viel längeren Beine musst er sich anstrengen, um mit ihr Schritt zu halten.
    »Finden Sie die Unterschiede.«
    »Wie bitte? Ich verstehe nicht.«
    »Sie kennen doch diese Bilderrätsel. Also, finden Sie die Unterschiede. Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass ich da drin die einzige Frau ohne Kopftuch war? Es ist eine große Sache, dass ich auch nur in diesem Zimmer sein durfte. Die anderen Frauen haben um ihren Sitz im Rat gekämpft. Ohne Hidschab hätten sie ihn nie im Leben bekommen. Ich bin neu. Malik hat mich dazugeholt, weil ich einige wichtige Fälle an Land gezogen habe, bei denen es um Muslime geht. Weil ich gut bin. Aber die Situation ist alles andere als unproblematisch, wie Sie ja gemerkt haben.«
    »Wieso geben Sie sich dann mit diesen Leuten ab? Die scheinen ja nicht einmal richtig zu wissen, was sie eigentlich wollen – dieser Typ zum Beispiel mit seinem ständigen Gerede von den Irakis –«
    »Ich bin ein Ein-Personen-Betrieb. Sie können mir Fälle zukommen lassen, sie machen meine Arbeit publik, setzen sich für meine Fälle ein. Das Gesetz ist politisch, vor allem im Augenblick. Wenn die Regierung eine Möglichkeit finden will, die Verfassung zu vergessen und Menschen ohne Anklage festzuhalten, dann tut sie es eben. So wie sie Ihnen die Gedenkstätte wegnehmen werden, wenn sie wollen.«
    »Nicht, wenn Sie auf meiner Seite stehen.«
    Sie ging nicht darauf ein. »Um noch einmal auf Ansar zurückzukommen – er kann einem zwar ganz schön auf die Nerven gehen, aber er hat recht. Recht in Bezug auf unsere Außenpolitik, recht in Bezug darauf, wie viele muslimische Zivilisten wir seit den Anschlägen verloren haben, wegen dem, was uns angetan wurde oder angetan werden könnte . Wir tun ja kaum noch so, als versuchten wir, das Gute zu verbreiten; es geht nur noch darum, uns selbst zu schützen, weil wir die Guten sind .«
    »Anscheinend bin ich da in etwas hineingestolpert, was größer ist, als ich dachte.«
    »Auf mich machen Sie nicht den Eindruck eines Stolperers«, sagte Laila.
    Vielleicht war es Zufall, aber in der Woche, in der sich herausstellte, dass die Jury sich für den Entwurf eines Mannes namens Mohammad Khan entschieden hatte, träumte Claires Sohn William, sein Vater könne nicht nach Hause zurückfinden. In düsterem Übereinklang mit Claires Anspannung wegen der Gedenkstätte wiederholte sich der Albtraum Nacht für Nacht. Nachdem sie William wieder einmal beruhigt und zum Einschlafen gebracht hatte, schenkte sie sich ein Glas Wein ein und überlegte, was Cal getan hätte, um ihn zu trösten.
    Die Luft war kühl, das Gras noch taufeucht, als sie früh am nächsten Morgen mit den Kindern in den Garten ging. »Sammelt welche von denen da ein«, sagte sie zu ihnen und deutete auf die zahllosen Steine, die die Blumenbeete säumten, sich über den kurzgeschnittenen Rasen schlängelten, die Wege zum Pool und zum Tennisplatz einfassten. Sie und Cal hatten die Steine an Stränden, in Wäldern, auf Bergen gesammelt. Lavendelblau, blassgrün, pechschwarz, geädert, glatt, geriffelt, glänzend, matt. Von Flüssen blankpoliert, rau wie Schmirgelpapier, messerscharf.
    »Weißt du noch, was Daddy dir erklärt hat, als ihr gewandert seid?«, fragte sie William. »Wie du den Weg nach Hause finden kannst, wenn du dich verlaufen hast?«
    William schüttelte den Kopf, und sie hätte am liebsten geschrien, weil er so schnell vergaß. Aber

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