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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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Mahmouds im Fernsehen zu. Mr Mahmoud übersetzte. Der aufgebrachte Mann, der von der Menge angefeuert wurde, erklärte er, hieß Lou Sarge und war ein beliebter Radiomoderator, der ständig gegen alles Islamische hetzte und dadurch noch populärer geworden war. Mit seiner zu weißen Haut und seinen zu schwarzen Haaren war er Asma unheimlich.
    »Respekt vor dem Gesetz ist das, was Amerika zu Amerika macht«, brüllte Sarge. »Wenn auch die Namen illegaler Einwanderer in der Gedenkstätte aufgeführt werden, ist das genauso, als würden wir allen gesetzestreuen Amerikanern, einschließlich der legalen Einwanderer, die an jenem Tag starben, ins Gesicht spucken. Die toten illegalen Einwanderer kamen aus wirtschaftlichen Gründen hierher, kamen hierher, um sich zu bereichern. Wären sie zu Hause geblieben, wären sie noch am Leben. Und wäre das nicht der größere Reichtum?«
    Asma bohrte die Fäuste in die Sofakissen, so empört war sie darüber, dass es niemanden gab, der für ihren Mann sprach, für die Heerscharen der Beschäftigten, die putzten und kochten und dienerten und katzbuckelten und an jenem schrecklichen Tag starben, als sei es eine weitere Möglichkeit, ihren Herren gefällig zu sein. Aber am nächsten Tag sagte der Bürgermeister, er sei der Meinung, dass alle Toten, egal ob illegal oder nicht, in der Gedenkstätte aufgeführt werden sollten, und die Gouverneurin und der Vorsitzende der Gedenkstättenjury schlossen sich ihm an. Inam würde also doch einen dauerhaften Platz in der Gedenkstätte bekommen, wie immer sie auch aussehen mochte. Trotzdem konnte Asma das Gefühl nicht abschütteln, ähnlich dem Schauder nach einem Beinahe-Unfall in einem Bus in Chittagong, dass die Geschichte nur um Haaresbreite Platz für ihn geschaffen hatte.

9
    M o stand in der Eingangshalle der »Spendenbüchse«, eine Anspielung sowohl auf die Form des Gebäudes als auch auf die schwindelerregende Bandbreite religiöser Gruppierungen, die darin ansässig waren. Der Muslim American Coordinating Council – MACC  – war eine von drei islamischen Gruppen, die im Gebäudeverzeichnis aufgeführt waren, zusammen mit fünf jüdischen und einem Dutzend christlicher Organisationen, die von traditionellen Protestanten bis zu evangelikalen Missionaren so ziemlich alles umfassten. Das Ganze erinnerte ihn an ein Band, das in immer schmalere Streifen ausfranste.
    Vor der Fernsehdebatte auf Fox, die er sich mit Yuki angesehen hatte, hatte er noch nie etwas von diesem MACC und seinem Geschäftsführer Issam Malik gehört. Damals hatte er Malik für einen aalglatten Opportunisten gehalten, der alles tun würde, um seine Interessen durchzusetzen, auch wenn diese Interessen zufällig mit denen von Mo übereinstimmten. Aber nach seinem Treffen mit Paul änderte er seine Meinung. Vielleicht war Malik genau der Richtige, um der Öffentlichkeit klarzumachen, dass Mo dasselbe Recht hatte wie jeder andere Amerikaner, die Ausschreibung zu gewinnen. Noch in dem französischen Gruselkabinett von einem Restaurant, in dem er mit Rubin gesprochen hatte, hatte Mo beschlossen, dass er sich dem Druck, seinen Entwurf zurückzuziehen, nicht beugen würde. Genauso wenig würde er beteuern, dass er »gemäßigt« oder »ungefährlich« oder Sufi war, oder was immer seine Landsleute ruhig schlafen lassen würde, ohne die Angst, er könne ihnen eine Bombe unters Kopfkissen schmuggeln. Gerade weil sie nichts von ihm zu befürchten hatten, wollte er, dass sie sich Sorgen machten.
    An den Wänden des im dritten Stock gelegenen MACC -Büros hingen gerahmte Poster der Kampagne, die der Rat kurz nach den Anschlägen in Zeitungen und U-Bahnen lanciert hatte. »Schützt uns, dann schützen wir euch«, hatte das Motto über zwei riesigen, zu einem Händedruck verschränkten Händen gelautet. Damals hatte Mo es für ziemlich verfehlt gehalten – bedrohlich auf eine Weise, die sicher nicht beabsichtigt war –, und außerdem war es geradezu naiv, Amerika zu einer Zeit, in der es alles andere als in Verhandlungslaune war, eine Abmachung vorzuschlagen. Auf seinem Weg durch den Flur begegneten die verschränkten Hände ihm auch auf zahllosen Fotos, auf denen Issam Malik Gouverneuren, Bürgermeistern, Filmstars und sogar dem Präsidenten die Hand schüttelte, so als habe er sie alle zu einem Bündnis vereint.
    Malik saß telefonierend hinter einem riesigen, V-förmigen Schreibtisch, der wie ein Ozeandampfer mitten in einem riesigen Büro schwamm. »As-salamu alaikum«,

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