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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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aufschreiben, dass kein Trick dahintersteckte?«, fragte Asma, beeindruckt von ihrer eigenen Gerissenheit. Lailas Lächeln schien zu sagen, dass sie ebenfalls beeindruckt war.
    Zu guter Letzt stimmte Asma dem Treffen zu, weil sie Laila und Nasruddin vertraute. Zu dritt arbeiteten sie an ihrem Antrag auf Entschädigung und versuchten auszurechnen, wie hoch Inams Einkommen im Laufe der Jahre gewesen wäre. Zitternd vor Angst ging Asma zu dem Treffen mit dem Regierungsvertreter, suchte in seinem Gesicht nach jedem noch so kleinen Zeichen von Falschheit und verließ den Raum mit 1,05 Millionen Dollar als Ausgleich für den lebenslangen Verdienstverlust ihres Mannes. Sie wusste, dass es nicht leicht gewesen sein konnte, aber für sie war es leicht gewesen. Einfach so war sie plötzlich Millionärin! Doch nachdem Nasruddin alles für sie durchgerechnet und ihr gezeigt hatte, dass dieses Geld nicht nur reichen musste, bis Abdul erwachsen war, sondern darüber hinaus bis an ihr eigenes Lebensende, sah sie ein, wie vorsichtig sie damit umgehen musste.
    Und wie vorsichtig sie sich verhalten musste. Denn sie war jetzt zwar Millionärin, aber eine heimliche. Die Großzügigkeit der Regierung hatte sie reich gemacht, die Gesetze der Regierung hielten sie in der Illegalität fest. Sie hatte das Geld, um hundert Mal nach Bangladesch und zurück zu fliegen, aber sie konnte Amerika nicht verlassen, weil man sie anschließend vielleicht nicht wieder ins Land zurücklassen würde. Es gab andere Hinterbliebene wie sie, sagte Laila – finanziell relativ gut gestellt, illegal –, aber Asma wusste nicht, wie viele oder wer sie waren. Vielleicht gingen sie jeden Tag auf der Straße aneinander vorbei, aber sie alle lebten im Verborgenen, hielten sich bedeckt, aus Angst, das Glitzern des Goldes könnte sie verraten. Gott webte ein Spinnennetz, um Mohammed zu schützen, der sich in einer Höhle vor seinen Verfolgern verbarg. Wenn er auch sie beschützen wollte, würde er es tun.
    Nasruddin riet aus noch einem anderen Grund zur Vorsicht. Er wollte nicht, dass die Gemeinde von ihrem neuen Reichtum erfuhr und Verwandten und Freunden in Bangladesch davon berichtete. Irgendjemand könnte sie an die Einwanderungsbehörde verraten. Verwandte zu Hause könnten entführt werden, um Lösegeld zu erpressen. Das Geld musste genauso versteckt werden wie eine neue Fettrolle unter ihren Kleidern. Und während von Laila Fathi ausgesuchte Finanzberater Asmas Million investierten, lebte sie selbst weiter, als sei sie immer noch arm.
    Keine noch so unbedeutende zusätzliche Ausgabe, die sie tätigte, entging Mrs Mahmouds Aufmerksamkeit. »Oh, du kannst dir Brinjals leisten!«, krittelte sie, als Asma Auberginen gekauft hatte, obwohl sie neun Cent pro Pfund teurer geworden waren. Oder: »Gibt es etwas zu feiern?«, als Asma ihre manchmal übertriebene Gastfreundlichkeit erwidern wollte und ihr ein Tütchen Pralinen in violetter Folie überreichte. Sie hatten 2,20 Dollar gekostet! Der Subunternehmer, erklärte Asma den Mahmouds, habe ihr einen weiteren kleinen Geldbetrag zukommen lassen und sie wolle nun versuchen, doch in Amerika zu bleiben. Das unübersehbare Missfallen der beiden verwandelte sich bald darauf wieder in Mitleid. Asma musste darauf achten, dass dieses Geld so lange wie möglich reichte, legten sie ihr ans Herz. Sie konnte bei ihnen wohnen bleiben und brauchte nur fünfzig Dollar im Monat für ihr Zimmer zu bezahlen. Das Angebot anzunehmen, obwohl sie doch weit mehr bezahlen konnte, fühlte sich wie ein Betrug an, aber Asma hatte keine andere Wahl. Vielleicht konnte das Ertragen von Mrs Mahmouds ewigem Geplapper als eine Art Ausgleich gelten.
    Der Status ihres toten Mannes war nach wie vor so ungewiss wie ihr eigener. Dann erzählte Nasruddin ihr, dass es eine Gedenkstätte für die Opfer geben werde, allerdings wolle eine Anti-Einwanderer-Gruppierung verhindern, dass Inam und die anderen Illegalen dort ebenfalls genannt wurden. Das, so sagte die Gruppe, würde ihren »Gesetzesbruch« sozusagen rechtens machen und sie amerikanischen Bürgern gleichstellen. Die Vorstellung, dass ihr Mann ausgeschlossen werden sollte, ließ Asma keine Ruhe. Es wäre die endgültige Verneinung seiner Existenz – als hätte er nur in ihrer Vorstellung gelebt. Er musste genannt werden, weil hinter seinem Namen ein ganzes Leben steckte.
    Als die Anti-Einwanderer-Gruppe in der Nähe des Rathauses eine kleine Protestveranstaltung abhielt, sahen sie und die

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