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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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sie so in Tränen aufgelöst, dass sie sich kaum verständlich machen konnte. Er ließ sie trotzdem rein. Sie kam nicht einmal auf den Gedanken, dass er nicht allein sein könnte.
    »Alyssa, das hier ist Desiree«, sagte er ohne auch nur eine Spur der Verlegenheit, obwohl sowohl er als auch Desiree nur mit T-Shirt und Boxershorts bekleidet waren. »Arbeit«, fügte er an Desiree gewandt hinzu. »Gibst du uns eine Minute?« Er hatte seine Brille nicht an, was Alyssa daran erinnerte, wie sie seine Augen zum ersten Mal nackt gesehen hatte. Irgendwie war das für sie bedeutungsvoller gewesen als der Anblick seines nackten Körpers. Sie hätte alles dafür gegeben, wieder in ihrer Redaktion zu sein, aber es war zu spät. Als Desiree im Schlafzimmer verschwunden war, beichtete Alyssa ihm ihre missliche Lage.
    »Was habe ich dir immer gesagt?« Sein Tonfall war so beruhigend solide wie eine Wand, und ebenso undurchdringlich.
    »Ich weiß, ich weiß. Aber jetzt sitze ich nun einmal in der Patsche. Bitte. Gib mir irgendwas. Egal was. Ich werde es dir nie vergessen. Es muss nicht einmal etwas sein, was ich veröffentlichen kann. Einfach nur was, um sie zum Reden zu bringen.«
    »In dem Fall könntest du dir einfach etwas ausdenken.«
    Während Alyssa darüber nachdachte, setzte Oscar seine Brille auf und musterte sie durch die Gläser hindurch. »Nein, das wäre geschummelt«, sagte sie. »Und das ist nicht mehr lustig, das weißt du doch. Wenn man einmal damit anfängt, wieso sollte man den Job dann überhaupt noch machen?«
    Einer seiner Mundwinkel hob sich ein wenig. Es war wie ein Zwinkern, das bedeutete: Braves Mädchen! Sie hatte den Test bestanden. Sie verdrängte das Geräusch des Fernsehers, das aus dem Schlafzimmer drang, und die andere Frau, die davorsaß, und erlaubte sich kurz, sich ein Wiederaufflammen ihrer Affäre vorzustellen. Dass er ihr dann tatsächlich ein winziges Informationsbröckchen gab, das sie verwenden konnte, nährte diesen Traum. In ihrer Welt galt so etwas als geradezu romantische Geste.
    »Also gut, Folgendes«, sagte er. »Ich habe es von einem Freund von mir, der eine Weile in Kabul war, aber es ist Pluto.« Pluto war ihr Kürzel für: so weit hergeholt und damit so weit davon entfernt, an die Öffentlichkeit gebracht zu werden, dass es genauso gut vom Pluto stammen könnte. Seine Augen sahen sie durchdringend an. »Du wirst gleich sehen, wieso ich die Info nicht selbst benutzt habe, und du wirst es auch nicht tun. Habe ich dein Ehrenwort?«
    Mein Ehrenwort und alles, was du sonst willst. Sie nickte.
    Sie und Claire trafen sich in der Nähe der Arthur Avenue in der Bronx, neutralem Gelände zwischen Chappaqua und Manhattan. Und wer sollte sie schon in einem albanischen Café entdecken? Die Wände waren verspiegelt, die Tische aus Marmor, der Espresso barbarisch, das Gebäck labberig. Runzlige alte Männer spielten an einem der Tische Domino, das Klicken der Steine ersetzte das Gespräch. An einem anderen Tisch saßen drei junge Männer, die Alyssa und Claire keinen Moment aus den Augen ließen. Auf Postern an den Wänden hielten Frauen in Kampfmontur triumphierend ihre AK -47 in die Höhe. Alyssa betrachtete sie. Albaner waren – Muslime. Vielleicht war das neutrale Gelände doch nicht ganz so neutral.
    Mit trüben Augen musterte sie den Schnitt von Claires Gesicht, ihre saphirblauen Augen, die sich misstrauisch verengten. »Wieso sind wir hier?«, fragte Claire sehr unterkühlt.
    »Ich habe gewisse Informationen, werde sie Ihnen aber nur weitergeben, wenn Sie sich zu einem Interview bereit erklären«, sprudelte Alyssa hervor. Sie war übermüdet und gleichzeitig aufgedreht von zu viel Koffein.
    »Unmöglich«, sagte Claire. »Es wäre ein Verstoß gegen die Juryvorschriften. Das habe ich Ihnen doch schon gesagt.«
    Irgendwas über ihren Hintergrund, beharrte Alyssa, das es ihr ermöglichen würde, ihren Lesern zu vermitteln, was Claire dachte, selbst wenn sie sich dazu auf »informierte Kreise« oder »eine Freundin Claire Burwells« berufen musste.
    »Woher soll ich wissen, dass Ihre Information wirklich wichtig ist?«, fragte Claire.
    »Vertrauen Sie mir«, sagte Alyssa und sah dabei ebenso verlegen aus wie Claire.
    Claire faltete ihre Papierserviette auseinander und wieder zusammen. »Was für eine schmutzige Angelegenheit, nicht wahr?«, murmelte sie. Es war eher eine Feststellung als eine Frage. Alyssa war sich nicht sicher, was sie meinte. Den Journalismus? Die

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