Der amerikanische Architekt
Claires Nummer und hätte das Telefon beinahe fallen gelassen, als sie sich tatsächlich meldete.
»Mrs Burwell?«
»Ja?«
»Alyssa Spier, von der Post .« In diesem Augenblick hasste sie ihren so S-haltigen Namen, und den ihrer Zeitung gleich mit. Dieses ganze Gezische klang einfach unmöglich.
Schweigen. Dann: »Woher haben Sie meine Nummer?«
»Von einem Freund. Ich –«
»Keiner meiner Freunde würde Ihnen meine Nummer geben.«
Ich habe nicht gesagt, dass es einer Ihrer Freunde war, dachte Alyssa und sagte: »Ich belästige Sie wirklich nur sehr ungern –«
»Was wollen Sie?«
»Ich möchte mit Ihnen über die Gedenkstätte reden, über die Anhörung. Ich möchte – äh – nur ein Gefühl dafür bekommen, was Sie denken –«
»Sie haben eine unsägliche Kolumne verfasst, in der Sie sich darüber ausgelassen haben, was ich denke, und jetzt wollen Sie reden?«
Alyssa hielt das Telefon ein Stück von ihrem Ohr weg und dachte: Fick dich, du selbstgefällige Kuh. Du hast es immer schön einfach gehabt – okay, abgesehen davon, dass dein Mann gestorben ist. Und da willst du über mich urteilen?
»Vielleicht könnten wir uns irgendwo treffen und einfach nur reden«, ließ sie nicht locker. »Ganz im Vertrauen.«
»Rufen Sie mich nie wieder unter dieser Nummer an.«
»Warten Sie!« Alyssa schickte ein Stoßgebet gen Himmel. »Warten Sie. Ich rufe vor allem an, weil ich Informationen habe, die Sie interessieren könnten. Über Khan.«
Am anderen Ende der Leitung war ein quälendes Zögern zu spüren, dann sagte Claire mit kalter Stimme: »Wieso sollte eine Information von Ihnen mich interessieren?«
»Weil – weil – weil sie explosiv sein könnte, für die Angehörigen. Ich an Ihrer Stelle wäre jedenfalls gern darauf vorbereitet.«
»Also gut«, willigte Claire nach einer weiteren Pause ein.
Bei aller Erleichterung war Alyssa einerseits überrascht, dass Claire sich zu einem Treffen bereit erklärt hatte, und andererseits misstrauisch, als sei sie auf ein morsches Brett in einem ansonsten tadellosen Dielenboden getreten. Sie war auf eine gewisse Unsicherheit gestoßen, eine Art Verletzlichkeit. Das einzige Problem war, dass Alyssa kein Werkzeug hatte, um dieses Brett aufzustemmen. Die ominöse Information über Khan, die sie Claire in Aussicht gestellt hatte, existierte nicht. Versprich nie zu viel und lass dann die Überraschung platzen, hatte Oscar immer gesagt. Sie dagegen hatte Explosivität angekündigt und nur bis morgen Zeit, sie zu finden.
Sie bearbeitete Telefon und Computertastatur, bis die Sehnen ihrer Unterarme schmerzten. Es musste etwas über Mohammad Khan geben, was sie verwenden konnte. Jeder hatte irgendetwas zu verbergen. Sie kramte alte Kontakte bei der Polizei, beim FBI hervor. Stand er auf irgendeiner Terrorverdachtsliste? Irgendeiner Flugverbotsliste? Irgendeiner noch so allgemeinen »Verdächtige-Muslime-Liste«? Nichts. Jedenfalls nichts, was irgendjemand an sie weitergeben wollte. Über seine Anwältin war eine Menge Dreck im Umlauf, aber die Blogs hatten ihre madige Klientenliste längst ausgeschlachtet – Leute, die unter Terrorverdacht standen, irgendwelche Imame, die lautstark für die Palästinenser eintraten, namentlich nicht genannte Angehörige von Opfern der Anschläge, die anscheinend keine ordnungsgemäßen Papiere hatten, für die sie aber doch Entschädigungen herausgeschlagen hatte. Aber Khans Verbindung damit, um so viele Ecken herum, würde Claire kaum aus der Reserve locken.
Die Redaktion leerte sich allmählich. Ein Blick aus dem Fenster zeigte Alyssa, dass es draußen bereits dunkel geworden war. Sie aß Instantnudeln aus dem Automaten, deren Konsistenz sich nur unmerklich von dem Styroporbecher unterschied, in dem sie sich befanden. Ein Putzmann schob seinen Wagen und eine unendliche Traurigkeit durch den unordentlichen Raum, und irgendetwas, was stärker war als Panik, drückte ihr das Herz ab.
Um zehn verließ sie das Gebäude und ging quer durch eine Stadt, der die Verzweiflung ihrer Bewohner ziemlich gleichgültig war. Unterwegs übte sie, was sie sagen wollte. »Oscar, ich brauche Hilfe. Oscar, ich brauche deine Hilfe.« Er hatte bessere Verbindungen zur Polizei als irgendjemand sonst. Wieso er ausgerechnet ihr damit unter die Arme greifen sollte, einer Ex-Geliebten, wenn man so wollte, die inzwischen für die Konkurrenz arbeitete, konnte sie nicht sagen. Sie konnte nur hoffen.
Als seine Stimme durch die Sprechanlage drang, war
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