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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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Verschwörungstheorien, die besagen, dass die Anschläge ein Insiderjob waren? Denkt er, dass Amerika nur bekommen hat, was es verdient?«
    »Nichts davon ist relevant«, sagte Claire.
    »Nein? Denken Sie das wirklich? Denken Sie wirklich, dass es nicht relevant ist, ob er sich freuen würde, wenn die amerikanische Botschaft in die Luft gejagt würde? Oder ob er glaubt, dass der Mossad oder die CIA hinter den Anschlägen stecken? Würden Sie in diesem Fall immer noch wollen, dass er Ihre Gedenkstätte baut?«
    »Wieso fragen Sie ihn das nicht selbst?«, zischte Claire.
    »Weil er keine Gedenkstätte für meinen Mann baut«, antwortete Alyssa und fragte sich, ob ihre Bemerkung so klang, als hätte sie einen Mann.
    Tränen traten in Claires Augen, quollen aber nicht über, als wüsste sie, dass das übertrieben gewesen wäre.
    »Wir können ihn nicht fragen«, sagte sie schließlich mit gepresster Stimme. »Wir dürfen nicht. Es wäre ihm gegenüber nicht fair.«
    »Ist es denn Ihnen gegenüber fair?« Irgendeine animalische Gier brannte in Alyssa, der Wunsch, auf diesen Eisberg von Frau einzuhacken, sie immer mehr in die Ecke zu drängen, bis sie sich ihrer eigenen Heuchelei stellte, der Unmöglichkeit, der Lächerlichkeit, ihrer Position. Sie wollte sehen, wie Claire Burwells Prinzipien unter ihr zusammenbrachen. Vage war sie sich bewusst, dass dieser Wunsch ebenso viel über sie selbst aussagte wie über Claire. Kolumnistin zu sein, zu versuchen, die unsichtbaren Massen zu beeinflussen, lag ihr nicht. Aber Informationen und Unterstellungen zu benutzen, die richtige Art von Fragen zu stellen und dann zu sehen, wie die Frau vor ihr aus ihrer Sicherheit herausgerüttelt wurde – das erfüllte sie mit einem fast beängstigenden Hochgefühl.
    »Können Sie damit leben, die Antworten auf diese Fragen nicht zu kennen?«, fragte sie.
    »Ich muss«, flüsterte Claire. Ihre Hände lagen schlaff in ihrem Schoß, ihr Kopf hing ein wenig nach unten. Sie wirkte nach Alyssas Attacke fast fügsam, als sei sie zu Recht mit Vorwürfen überschüttet worden.
    »Oder haben Sie Angst vor der Antwort? Was, wenn er Ihren Mann hasst, oder jeden, der so ist wie Ihr Mann? Was, wenn er Sie hasst, die ungläubige Witwe? Gibt es nichts, was Sie veranlassen würde zu sagen, dass er nicht geeignet ist, die Gedenkstätte zu bauen?«
    Claire straffte den Rücken. Ihre Augen waren jetzt wieder klar. »Juristisch – nein. Und moralisch kann und werde ich ihm seinen Sieg nicht wegen irgendetwas wegnehmen, was er eventuell denken könnte.«
    »Aber das ist doch nur umso mehr Grund ihn zu fragen, was er denkt«, quiekte Alyssa. »Warum tun Sie es nicht? Mir und meinen Kollegen gibt er ja keine Antwort, aber Sie sind eine Jurorin, eine Angehörige. Ihnen wird er antworten müssen !«
    »Haben Sie nicht zugehört?« Claire spuckte die Worte geradezu hervor. Sie biss die Zähne zusammen, ballte die Hände auf dem Tisch zu Fäusten. Ihre Feindseligkeit machte sie nicht gerade hässlich, aber sie sah in diesem Augenblick alles andere als schön aus. »Es ist nicht fair , ihn zu fragen.«
    »Genau diesen Standpunkt vertritt er selbst auch, Mrs Burwell, und ich bin sicher, er ist überglücklich, dass Sie ihn übernommen haben. Aber ist es wirklich das, was Sie denken und wollen?«
    Claire nickte, schüttelte den Kopf, nickte noch einmal, presste die Lippen zusammen wie ein Kind, das nicht essen will, und richtete den Blick, als bemerke sie sie erst jetzt, auf die ihre AK s schwingenden Frauen an den Wänden.
    »Hat der sogenannte Kopftuchabreißer schon früher Gewalt gegen Frauen angewendet? Nähere Einzelheiten um elf.«
    Mitten in der Woche, in der die Zuschauerzahlen ermittelt wurden, lief dieser Aufmacher eines lokalen Fernsehsenders so oft, dass das für elf Uhr angekündigte Interview mit Seans Exfrau fast eine Enttäuschung war. Sie behauptete, er sei ihr gegenüber einmal handgreiflich geworden: »Er hat mich gegen die Wand gestoßen, ich musste den Arm drei Tage lang in einer Schlinge tragen … Nein, ich weiß nicht wieso. Er hat einfach die Beherrschung verloren. Er kann ziemlich aufbrausend sein, wie inzwischen jeder weiß.«
    Ihre Haare waren anders: kurz, punkig, blond gefärbt. Sie sah scharf aus, wenn auch nicht unbedingt glaubwürdig. Garantiert hatte sie ihre Story für gutes Geld verkauft. Irina machte nie etwas umsonst.
    »Sie war schon immer eine Lügnerin«, sagte Eileen. Sie und Sean saßen auf der Couch, Frank in dem Sessel, in

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