Der amerikanische Buergerkrieg
ausbauen konnten, hatten nun erst einmal die Radikalen das Sagen. Die präsidentielle Rekonstruktion endete mit einer herben Niederlage Johnsons.
2. Der Anlauf zur bürgerlichen Revolution:
Die radikale Rekonstruktion, 1866–1877
In den Augen der radikalen Republikaner war der Präsident das entscheidende Hindernis auf dem Weg zu einer tiefgreifenden Reform der südstaatlichen Gesellschaft. Die Gleichberechtigung der Schwarzen, eine gerechtere Landverteilung und eine mögliche industrielle Neustrukturierung des Südens waren nur machbar, wenn die alten Eliten durch neue ersetzt würden. In den ersten Wochen nach Kriegsende hatte es noch ganz so ausgesehen, als sei dies relativ leicht möglich, da die konföderierten Eliten besiegt, desavouiert und mehr als angeschlagen waren. Johnsons zögerliche Rekonstruktionspolitik hatte es ihnen gleichwohl erlaubt, wieder in Tritt zu kommen. Dies geschah nicht allein in Gestalt der allerorten wieder auftauchenden Südstaatendemokraten. Der Süden reagierte, wie er vor dem Krieg schon immer reagiert hatte: mit exzessiver Gewalt. Diese Gewalt richtete sich gegen alle, die man im Verdacht hatte, im Süden ein republikanisches Regime errichten zu wollen. Fast selbstverständlich waren die befreiten Schwarzen, vor allem wenn sie politisch oder wirtschaftlich aktiv werden wollten, die ersten Opfer. Hinzu tratenweiße Funktionäre und Anhänger der Republikaner, die inzwischen eine Parteiorganisation in sämtlichen Teilen des Südens errichtet hatten. Oft handelte es sich um Kleinbauern aus den Piedmontgebieten des alten Südens, die vor 1865 kaum Sklaven gehalten hatten. Im Jargon der Bourbonen genannten Südstaatendemokraten hießen sie nach einer Mustangart
scalawags
. Der Begriff Bourbone war den konservativen Südstaatlern in Anlehnung an die französische Dynastie gleichen Namens gegeben worden. Von deren nachrevolutionären Königen, Ludwig XVIII. und Karl X., hieß es nämlich, sie hätten nichts vergessen und nichts gelernt. Kaum eine Bezeichnung hätte für die Südstaatendemokraten, die sich selbst lieber als «Erlöser» (
redeemer
) sahen, besser gepaßt. Sie vergaßen über ein Jahrhundert lang gar nichts, und zu lernen, sich an die neue Zeit anzupassen, war ebenfalls nicht ihre Stärke. Das andere Feindbild der Bourbonen waren die
carpetbeggars
, Nordstaatler, die in den Süden gekommen waren, um dort ökonomisch Fuß zu fassen. Sie und die
scalawags
wurden als Kriegsgewinnler denunziert und zu bevorzugten Opfern von Gewalt. Die letzte Opferkategorie bestand aus abolitionistischen Philanthropen, die im Rahmen des
Freedmen’s Bureau
im Süden arbeiteten, häufig Frauen, die als Lehrerinnen oder frühe Sozialarbeiterinnen tätig waren. Wie schon während des Kriegs warf man ihnen vor, sexuelle Beziehungen mit schwarzen Männern aufzunehmen, um eine minderwertige Hybridrasse zu züchten, welche die Weißen aus ihrer angestammten Führungsposition verdrängen sollte.
Die Gewalt setzte erst langsam, vereinzelt und relativ spontan ein, ehe sie im Laufe der Jahre 1866, 1867 und 1868 immer besser organisiert und umfassender wurde. Wurden 1865 noch bevorzugt Einzelpersonen oder vereinzelte Gehöfte mit schwarzen Besitzern angegriffen, so häuften sich ab 1866 Massaker. Im Sommer 1866 kam es erst in Memphis, dann in New Orleans zu massenhafter Gewalt. Allein in New Orleans wurden im Verlauf einer republikanischen Wahlversammlung 89 Schwarze ermordet. Die Polizei tat nichts. Ab 1867 wurden Massaker regelrecht zur Normalität und sie blieben es bis weit in die 1870er Jahre hinein.
Seit den 1880er und 18890er Jahren richtete sich diese Form extralegaler Volksgewalt dann vorrangig gegen schwarze Gewerkschafter und Populisten, die an der Rassenpolitik des Südens rütteln wollten. Noch im Jahr 1900 zog ein weißer, demokratischer
mob
durch Grimes County in Texas, um wahllos Populisten, Schwarze und Gewerkschafter zu ermorden. Zu diesen politisch-rassisch motivierten Massenmorden traten die
lynchings
, also das rituelle Töten meist schwarzer, männlicher Opfer vor großen Mengen von Schaulustigen, meist unter dem Vorwand, sie seien Mörder oder Vergewaltiger. Diente diese Art der Gewaltanwendung in den 1860er und 1870er Jahren noch dazu, potentielle politische und gesellschaftliche Rivalen aus dem Feld zu schlagen, so hatte sie ab den 1880er Jahren, als sie immer stärker ritualisiert und etwa durch Kastration der Opfer stärker sexuell aufgeladen wurde, eher die Funktion, die
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