Der amerikanische Buergerkrieg
Alternative ernsthaft diskutiert. Damit hätte man gleichzeitig den Schwarzen eine solide ökonomische Grundlage für ihre Zukunft verschafft und die traditionale semifeudale Gesellschaftsordnung des Südens im Interesse einer liberalen und kapitalistischen Marktwirtschaft endgültig zerschlagen. Aber wieder stand das liberale Prinzip der Unantastbarkeit des Eigentums im Wege. Bis weit in die konservativen und moderaten Reihen der Republikaner hinein war man keineswegs willens, einer solchen Totalreform zuzustimmen, und von den Demokraten war dies ohnehin nie zu erwarten gewesen. Da die Republikanische Partei uneins blieb, überließ man die konkrete Gestaltung der Nachkriegsgesellschaft den Südstaatlern, die überaus restriktiv vorgingen. Unterstützt von Präsident Johnson erließen die Südstaaten 1865 und 1866 die sogenannten
Black Codes
, in welchen den einstigen Sklaven jedwede Form von politischer Teilhabe, allem voran das Wahlrecht, ebenso untersagt wurde wie die freie Berufswahl oder der Unterricht an öffentlichen Schulen. Überdies wurde ein Arbeitszwang für die Schwarzen realisiert, die auf diese Weise ihren früheren Herren ebenso dienen mußten wie in der Antebellumära, allerdings nun ohne jede paternalistische Verbrämung. Gleichzeitig wurden strenge Gesetze gegen jede Form derRassenmischung eingeführt, die es vor 1860 so nicht gegeben hatte. Der Wegfall der Sklaverei sorgte dafür, daß die Rassentrennung nunmehr auf dem Weg der Rechtsvorschriften durchgesetzt wurde. In dieser Epoche wurde die schon vor 1865 gültige
one drop rule
endgültig zum Dogma. Demnach war jeder schwarz, der über ein schwarzes Großelternteil verfügte. Der binäre Rassencode der Angelsachsen setzte sich nach dem Krieg im gesamten Süden durch und prägt bis heute das Denken in den Vereinigten Staaten. Man kann sogar sagen, daß der Rassismus nach 1865 schärfer war als zuvor, denn er ersetzte das gelegentlich paternalistische Herrschaftsverständnis der
herrenvolk democracy
der Antebellumära vollständig und irreversibel. Im Hintergrund stand die doppelte Furcht vor der angeblichen rassischen Minderwertigkeit der Schwarzen, die jetzt mehr denn je im Sinne unveränderlicher und unverrückbarer organisch-essentialistischer Rassecharakteristika verstanden wurde, und der Möglichkeit schwarzer und republikanischer Mehrheiten in den Staatslegislaturen. Letzteres war vorrangig aus psychologischen Gründen für viele Weiße eine kaum erträgliche Vorstellung. Künftig ausgerechnet von jenen regiert zu werden, die man über Jahrhunderte hinweg mit absoluter Gewalt beherrscht hatte, überstieg das Vorstellungsvermögen selbst wohlgesinnter Südstaatler.
An diesem Punkt verknüpften sich die Probleme der staatlichen Rekonstruktion mit denen des Umgangs mit den befreiten Schwarzen. Aus der Warte radikaler Republikaner war Johnsons Politik eine Zumutung, da sie im Grunde die Verhältnisse aus der Zeit vor 1860 weitestgehend wiederherstellte. Umgekehrt empfand der Präsident seine Politik bereits als Zugeständnis an die Radikalen. Aufgrund seines tief verwurzelten persönlichen Rassismus hatte er keinerlei Interesse an den gesellschaftlich und parteipolitisch motivierten Visionen der Radikalen. Daher verschärfte sich bereits im Jahr 1865, dann aber vor allem 1866 die politische Situation erheblich. Zwischen dem republikanischen Kongreß und dem Weißen Haus kam es zu einer dauerhaften Konfliktsituation. Dabei standen drei Gesetzgebungsvorhaben der Republikaner im Zentrum: das XIV.
Amendment
, die
Civil Rights Bill
und die
Freedmen’s Bureau Bill
. Vergleichsweisenoch am wenigsten kontrovers war der neuerliche Verfassungszusatz, der den Schwarzen das amerikanische Bürgerrecht zubilligte und zugleich die Frage des Bürgerrechts der nationalen und nicht mehr ausschließlich der Einzelstaatenjurisdiktion unterstellte. In diesem einen Fall, der allerdings schon in die Phase des heißen Wahlkampfes 1866 fiel, entschied sich Johnson für das Nichtstun. Diese bewußte politische Zurückhaltung, die niemanden desavouierte, führte zu einer relativ raschen Akzeptanz des Vorschlags auf dem Parkett der Hauptstadt. Der komplette Süden aber, mit Ausnahme Tennessees, stimmte auf der Ebene der Bundesstaaten gegen den neuerlichen Verfassungszusatz. Dies änderte jedoch nichts an den gegebenen Mehrheitsverhältnissen. Der 14. Zusatz erhielt 1868 Verfassungsrang. Mit diesem Beschluß wurde der Tenor des Urteils
Dred Scott vs. Sanford
aus dem
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