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Der andere Tod

Der andere Tod

Titel: Der andere Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Jonuleit
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Teilnehmer angeklingelt worden.
    Die Dusche war eine unsägliche Wohltat. Ich stand, wie mir vorkam, stundenlang unter dem prasselnden Wasserstrahl. Mit nassen Haaren und einem Handtuch um dieHüften ging ich schließlich ins Arbeitszimmer. Das Lämpchen des Anrufbeantworters blinkte. Ich drückte auf »Wie dergabe «.
    Was ich hörte, nahm mir die Luft zum Atmen. Ich erkannte seine Stimme sofort, obwohl ich nichts über ihn wusste. Es war derselbe Mann, der mich schon einmal angerufen hatte. Diesmal sagte er lediglich vier Worte. Aber diese trafen mich wie ein Messer ins Herz. In schneidendem Befehlston, mit russischem Akzent, tönte es vom Band:
» Rufen Sie mich an.
«
    Verwirrt drückte ich die »Repeat«-Taste. Der Mann hatte tatsächlich nur diesen einen Satz von sich gegeben. Offenbar ging er davon aus, dass ich seine Stimme erkennen würde und zudem seine Nummer hatte. Ich war tief beunruhigt. Welche Macht meinte er über mich ausüben zu können?
    Ich löschte die Nachricht.
    Die nächste Mitteilung auf dem Band stammte von Barbara. Sie musste kurz nach unserem unerfreulichen Handy-Gespräch diese Nummer gewählt haben. Abstoßend süßlich flötete ihre Stimme: »Hallöööchen, Liebes! Anoukchen, hättest du nicht Lust, morgen Nachmittag mit mir auf die Auktion beim Zeller zu gehen? Sag mir Bescheid, Schatzi, und auch sonst hab ich dir jede Menge zu berichten.« Barbara hatte ihrer Stimme einen kumpelhaftverschwörerischen Ausdruck gegeben.
     
    Aufmerksam beobachtete ich später, wie Anouk die Nachricht ihrer Freundin abspielte. Ein säuerliches Lächeln trat auf Anouks Gesicht. »Na, die hat’s ja mal wieder ganz wichtig    …« Mit leicht gequälter Miene ging Anouk ins Wohnzimmer, um Barbara zurückzurufen.
    Aufgeregt blieb ich im Arbeitszimmer zurück. Durch dieTür drangen Wortfetzen von Anouk in einem Tonfall, der etwas Gezwungenes hatte.
    Ich hatte Barbaras Warnung verstanden.

Late Night Show
    Es war nach zwei, als ich mich leise erhob, um Anouk nicht aufzuwecken. Ich schlüpfte in ein schwarzes Shirt, zog eine dunkelgraue Hose an und schlich mich in die Diele. Dort, so wusste ich, lag Anouks Schlüsselbund wie immer auf dem Vitrinenschränkchen.
     
    Die Nacht war sternenklar und überraschend kühl. Wüstenklima, dachte ich, als ich hinaustrat und auf die funkelnden Lichter der Stadt unter mir blickte. Das Garagentor öffnete sich beinahe lautlos. Bevor ich in den Wagen stieg, ließ ich den Blick die Straße entlangschweifen.
    Seit jenem Abend, an dem ich jemanden in unserem Garten zu sehen geglaubt hatte, überfiel mich hin und wieder eine Furcht, die ich jedoch jedes Mal bereits im Entstehen beiseite wischte. Wer würde sich schon die Mühe machen, mich aus dem rückwärtigen Teil unseres Gartens heraus zu beobachten? Und doch lauerte – dicht unter der Oberfläche – eine leise und hartnäckige Furcht, die beim kleinsten Anlass bereit war, mich anzufallen.
    Ich schüttelte mich, verwünschte murmelnd mein Hasenherz, bestieg den Wagen und ließ den Motor an. Der Motorenlärm würde nicht bis ins Schlafzimmer dringen, war es doch zur anderen Seite, zum Tal hin, ausgerichtet.
    Auf dem Weg durch die menschenleeren Straßen fiel mir ein Wagen auf, der eine Weile lang hinter mir herzufahren schien. Doch während ich in St. Margrethen rechts abbog, fuhr er geradeaus weiter. Als ich Lewinskys Straße erreicht hatte, war es kurz vor halb drei.
    Den Wagen parkte ich ein gutes Stück weit entfernt von Lewinskys Haus, neben einem weißen Lieferwagen. Ich ließ die Fenster hinunter, stellte den Motor ab und lauschte in die Nacht. Die Straßenlaternen verbreiteten ein orangerotes milchiges Licht und tauchten die Welt außerhalb der Lichtkegel in ein umso tieferes Dunkel. Nichts war zu hören als ein vereinzelter Wagen, der in der Ferne auf wer weiß welches Ziel zuhielt.
    Die Sommernacht hüllte alles in tiefen Schlaf. Mir schoss durch den Kopf, wie abenteuerlich das Ganze im Moment war. Ich fragte mich, was genau ich dort eigentlich zu entdecken hoffte und was ich, wenn ich nichts entdecken würde – was weitaus wahrscheinlicher wäre   –, tun würde.
    Im Grunde war es vielleicht sogar sinnlos, lächerlich und zudem gefährlich. Was, wenn man mich erwischte? Würde ich dann verhaftet werden? Na ja, das – nach der Milde der hiesigen Rechtsprechung zu urteilen – sicherlich nicht. Aber von einer Anzeige könnte ich wohl ausgehen. Und wäre ich dann vorbestraft?
    Ich lehnte den Kopf gegen die

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