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Der andere Tod

Der andere Tod

Titel: Der andere Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Jonuleit
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Nackenstütze, atmete tief ein und entschied mich dafür, es sofort anzugehen, sonst würden die Schreckensgespenster möglicher strafrechtlicher Konsequenzen übergroß und ich würde unverrichteter Dinge nach Hause zurückkehren.
    Schnell ließ ich die Fenster hoch, nahm Anouks Schlüsselbund vom Beifahrersitz und stieg aus. Einen kurzen Moment blieb ich im Schatten des Lieferwagens stehen und blickte die Straße auf und ab. Dann setzte ich mich langsamin Bewegung und tauchte ein in den milchigen Lichtkegel der Laterne.
    Vor dem Eingang zu Haus Nr.   37 nahm ich den Schlüssel, von dem ich glaubte, dass er passen würde. Fehlanzeige. Ich probierte weitere drei aus, bis ich endlich den richtigen erwischte.
    Wie ein Dieb glitt ich ins Haus und drückte vorsichtig und lautlos die Tür hinter mir zu. Wieder lag dieser spezielle Treppenhaus-Geruch in der Luft. Vor Lewinskys Wohnung machte ich halt und lauschte eine Weile ins Dunkel.
    Nichts.
    Kein Laut war zu hören. Es war völlig still, gerade so, als hätte alles Leben in diesem Haus, in dieser Nacht, aufgehört zu existieren.
    Dann klingelte ich.
    Wie ein Messer zerschnitt der schrille Ton die Stille. Ich schreckte unwillkürlich zusammen. Panik stieg in mir auf. Gleich würde die Tür aufgehen und Lewinsky heraustreten. Er würde mir gegenüberstehen und mich fassungslos, vielleicht ein wenig erschrocken, ansehen. Wusste er, wer ich war? Hatte er mich schon einmal gesehen? Hatte Anouk ihm Bilder von mir gezeigt?
    Als nichts geschah und die Stille Stille blieb, läutete ich ein zweites Mal. Ich wollte ganz sicher gehen. Dieses Mal erschrak ich nicht. Mit angehaltenem Atem stand ich da und suchte vorsorglich nach einer Erklärung für diese nächtliche Ruhestörung.
    Als sich abermals nichts rührte, nahm ich denselben Schlüssel, mit dem ich die Haustür aufgeschlossen hatte, und steckte ihn ins Schloss. Er passte auch hier. Langsam drehte ich ihn, öffnete die Tür und lauschte wieder.
    Nichts.
    Ich sprach mir selbst gut zu: Wenn das Schrillen dieserGlocke ihn bisher nicht geweckt hatte, war er entweder ohnmächtig oder sturzbetrunken. Und dann würde er durch meine bloße Anwesenheit kaum aufwachen.
    Vorsichtig trat ich ein.
    Jetzt fiel unten die Eingangstür mit ihrem satten Klatschen ins Schloss. An diese Möglichkeit hatte ich gar nicht gedacht. Was war, wenn Lewinsky ausgerechnet um diese Zeit nach Hause kam? Ich blieb wie angewurzelt stehen, so regungslos, als könnte eine einzige Geste mich bereits verraten.
    Und tatsächlich. Da waren Schritte, die sich näherten, Füße, die Stufe um Stufe die Treppe hinaufstiegen. Dann verstummten die Tritte. Jemand stand auf dem Treppenabsatz direkt vor Lewinskys Wohnung.
    Mein Herz raste. Wie hatte ich auch nur auf diese pubertäre Idee kommen können, mich einfach in eine fremde Wohnung zu schleichen? Wo sollte ich mich verstecken?
    Doch ich hatte Glück. In diesem Moment hörte ich, wie die Tür zur Nachbarwohnung aufgesperrt, geöffnet und wieder geschlossen wurde. Dann war alles ruhig.
    Eine Weile noch lauschte ich meinen eigenen Ängsten nach, atmete so flach ich konnte und hörte doch nur das Pochen meines eigenen Herzens im Ohr. Und endlich überwand ich mich und tastete nach dem Lichtschalter. Ich fand ihn links neben der Tür.
    In der Wohnung roch es muffig und ungelüftet. So, als sei schon länger keiner mehr hier gewesen. Als das Licht aufflackerte und es hell wurde, erstand vor meinen Augen ein grauer Teppichboden, dann, ein wenig oberhalb, ein Korridor, der auf eine Tür am Ende zuführte und von dem links und rechts je zwei Türen abgingen.
    Langsam öffnete ich die erste Tür zu meiner Linken, immer gewahr, dass plötzlich eine andere aufgehen undLewinsky vor mir stehen könnte. Ich ließ den Rollladen herunter, dann erst machte ich Licht. Die Küche war ein enger Schlauch, dicht bestückt mit grauen Hochglanzschränken, die bis unter die Decke vollgestopft waren. Es war eine typische Küche. Ich hatte solche Küchen schon oft gesehen und mich jedes Mal gefragt, ob die Bewohner sie tatsächlich so – und nicht anders – hatten haben wollen oder ob ein Mangel an Phantasie und Mut sie dazu gebracht hatte, sich ihre Küche mit diesem gesichtslosen Einheitsmist zuzupflastern. Über dem Minitisch mit zwei reichlich unbequem wirkenden Sitzgelegenheiten hing eine magnetische Pinnwand, die mir jedoch keinerlei Informationen lieferte. Sie war leer.
    Ich klappte die grauglänzenden Schranktüren auf, hinter

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