Der Andere
ja alles.«
Ein weißer Bus hielt vor dem Gebäude und hupte kurz. Luke rannte hin, ohne sich umzusehen. Drinnen saß nur der Fahrer. Über die Schulter wies er Luke an: »Schnall dich an, Kumpel.« Dann jagte er den Motor hoch, kaum dass Luke auf seinem Sitz saß. Auf unserem Weg Richtung Norden hielten wir Ecke 135 . Straße und Amsterdamer, 156 . Straße und Covenant, Dyckman und Broadway an. Kinder – schwarze, weiße, aus der Dominikanischen Republik, fast alle größer als Luke – füllten den Bus. In einer scharfen Linkskurve ließ sich ein schlaksiger Typ in den Sitz neben uns fallen. Er verpasste Luke eine Kopfnuss. »Achte auf die Fakes, Mann, und pass auf deinen Kopf auf.«
Hoch über dem Fluss rasten wir über die Henry-Hudson-Bridge. Jäh und dunkel ragten die Palisaden aus dem Wasser auf. Die Plätze im Van Cortlandt Park lagen verschlammt und bucklig da. Pizzabuden, Minimärkte und Sportartikelläden versteckten ihre Fassaden hinter der hochgelegenen Bahntrasse. Das Spiel am Morgen war für Luke beendet, als er das Knie eines Defensive Lineman an den Kopf bekommen hatte. Benommen stocherte er in der Pizzabude an seiner Calzone herum. Seine Schienbeine waren übersät von Flecken, immer wieder rieb er sich mit den Fingern über die dunkelrot-orangegelben Beulen. Der schlaksige Typ aus dem Bus kam zu ihm und tippte ihm an den Kopf. »Kopf hoch, Bruder.«
Das Spiel am Nachmittag gegen die Mannschaft aus Tremont war von Anfang an eine Blamage. Beim Kick-Off legte der Headhunter den Returner der Wildcats gleich flach. Der Halfback der Tremonts preschte durch die Defensive Line wie durch nasses Papier, während der Quarterbacker der Wildcats keine Passstation finden konnte und nach seinem Drop-Back fast immer selber laufen musste. Mit simplen Spielzügen konnten die Tremonter ihre ersten Punkte machen und im nächsten Drive einen Fumble der Wildcats erobern, so dass sie wieder das Angriffsrecht hatten. Dann ging Luke als Free Safety ins Spiel, um lange Läufe und Pässe zu stoppen, wurde aber gleich von einem Angriffsspieler plattgemacht, der doppelt so groß war wie er. Mit dem Kopf zwischen den Knien hockte er an der Seitenlinie auf seinem Helm.
Zur Halbzeit lagen die Wildcats mit 14 : 0 im Rückstand. Aber im dritten Quarter hatte ich ein gewisses Muster im Angriff der Tremonter entdeckt. Fast immer, wenn sie sich in der I-Formation aufgestellt hatten, warf der Quarterbacker einen Swing-Pass zum Runningback nah an die rechte Seitenlinie, ohne auf Verteidiger zu achten. Das funktionierte auch gut, da die Offensive Line die Linebacker der Wildcats gut blockte und der Runningback einfach an den Verteidigern vorbeisprinten konnte. Kaum waren die Wildcats wieder im Ballbesitz, schlich ich mich zu Luke, der an der Seitenlinie wartete. »Das nächste Mal, wenn sie die I-Formation spielen«, sagte ich, »blitzt du um die Line, stellst dich in den Weg und fängst den verdammten Ball ab.« Er sah mich verständnislos an. »Der Swing-Pass!«, zeterte ich. »Der Kerl wirft immer einen Swing, ohne auf jemanden außer seinem Runningback zu achten.« Als die Tremonter wieder im Ballbesitz waren und aus dem Huddle die I-Formation aufgestellt hatten, rannte ich aufs Feld, stolperte in der Zwangsjacke und schrie Luke an: »Los, zur Linie! Blitz um die Line, du Arsch!«
Warum war ich eigentlich so darauf erpicht, dass er gewann? Sein Vertrauen wiederzugewinnen, war sicher ein wesentlicher Grund. Ich hatte inzwischen begriffen, dass mich meine Feindseligkeit nur wieder unter Verschluss bringen würde, wenn ich sie nicht mit ein wenig Geschick und Selbstbeherrschung in den Griff bekam. Aber ich konnte es auch nicht ertragen, die hirnlose Taktik der Tremonts ungestraft zu lassen, und schließlich konnte ich den Pass ja nicht selbst abfangen. Als der Quarterback mit dem Snap-Count anfing, bewegte sich Luke langsam zur Scrimmage Line. Nach der Ballübergabe lief er direkt in die vorhergesagte Passroute rein. Tremonts Quarterback täuschte einen langen Pass an und warf den Ball zum Halfback, ohne auf den Blitz zu achten. Luke war zur Stelle, pflückte den Ball mit einer Hand aus der Luft und lief damit in die gegnerische Endzone. Nach 25 Yards wurde er von hinten niedergestreckt. Ich schlängelte mich durch die herumliegenden Körper hindurch, hüpfte von einem Bein auf das andere: »Ich hab’s dir gesagt! Ich hab’s dir gesagt!«
Am Ausgang des Spiels änderte das jedoch nichts. Im vierten Quarter machten die
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