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Der Andere

Der Andere

Titel: Der Andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian DeLeeuw
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unschuldigem Lächeln den Blick zu trüben.
    »Wir möchten, dass du dich bei uns wohlfühlst«, sagte Molly.
    »Mir geht es gut.« Luke setzte dieses schafsdumme halbe Grinsen auf, das ich so hasste. Dieses Lächeln, das ihm zu Dingen verhalf, die ihm gar nicht zustanden. »Das ist nicht die erste Nacht, die ich in diesem Apartment verbringe.« Ich erwartete eine Antwort, aber nicht einmal James, tonlos und angespannt am Tischende, schien diese Äußerung zu beunruhigen.
    »Morgen ist Samstag«, verkündete Molly. »Warum unternehmen wir nicht alle etwas gemeinsam, ins Kino gehen vielleicht, oder ich weiß nicht … Was möchtest du denn gerne, Luke?«
    »Eigentlich habe ich morgen Football.« Luke musterte eine Garnele, dann sah er auf. »Spring League. In der Bronx.« Seine Ersatzfamilie sah ihn verblüfft an. »Wir haben an der Schule kein Team, also spiele ich dort. Der Bus holt mich um neun vor meinem Haus ab. Ich habe ihnen nicht gesagt, dass ich hier bin. Und außerdem ist die ganze Ausrüstung noch in meinem Zimmer.«
    James runzelte die Stirn. »Football?«
    Cassie hakte nach: »In der Bronx?«
    Molly plazierte ihre Essstäbchen sorgfältig am Tellerrand. »Wir können für halb neun ein Taxi bestellen.«
    »Danke, ist wirklich nicht nötig. Ich gehe gern allein.«
    James und Molly warfen sich einen Blick zu. »Ich glaube nicht, dass deiner Mutter das recht wäre«, wandte James ein.
    »Ich glaube nicht, dass du den Hauch einer Ahnung von dem hast, was ihr recht ist und was nicht«, entgegnete Luke. Dann lächelte er wieder. »Aber du kannst ja mit mir auf den Bus warten, wenn du unbedingt willst. Nur um zu sehen, dass ich mir das nicht ausgedacht habe.«
     
    Nach einer unbequemen Nacht, die ich eingekeilt am Fußende des Schlafsofas verbrachte, wachte ich auf und sah, wie sich Luke seine Turnschuhe zuschnürte und die stumm gestellten Sporthöhepunkte auf dem riesigen Bildschirm ansah. Die Zeitlupenaufnahme des umknickenden Knies eines Footballers wurde aus drei verschiedenen Perspektiven wiederholt. Eine Baseball-Größe im Nadelstreifenanzug verließ den Gerichtssaal und lief direkt in ein Blitzlichtgewitter hinein. Ich rappelte mich auf. Meine Arme wurden von der Zwangsjacke so eng an den Oberkörper gepresst, dass ich fürchtete, die Schultergelenke würden auseinanderspringen. Molly saß mit dem Kind in der Küche. Sie aßen Brioche mit Johannisbeermarmelade. Sie warf Luke ein breites Lächeln zu, als er an der Tür vorbeiging. »Sei vorsichtig«, sagte sie. »Tut mir leid!« Das Kleinkind plärrte, den Mund voll Müsli. »Tut mir wirklich leid!« Dann erschien James in Khakihosen und mit einer Baseballkappe, die den Schriftzug
Parallax Capital
trug, bei dem es sich, wie ich vermutete, um den Namen seiner derzeitigen Firma handelte. Von dem bisschen, das ich über die Jahre von Claire erfahren hatte, wusste ich, dass er Geld für Projekte eintrieb, die irgendetwas mit Russland zu tun hatten. Die Namen der Firmen änderten sich ständig, und die Einzelheiten blieben im Dunkeln, das Geld schien allerdings durchaus real zu sein. Als wir gingen, war die Tür zu Cassies Zimmer geschlossen, und ich stellte sie mir schlafend vor, wie das Heben und Senken ihres atmenden Körpers sich in den Seidenlaken abzeichnete.
    Während der Fahrt mit dem Taxi durch den Park saß ich auf dem Rücksitz, eingepfercht zwischen Luke und James, während sie über Footballspiele schwafelten, an die sich keiner von ihnen genau erinnern konnte. Seitdem Cassie Luke im Apartment abgeliefert hatte, waren alle krampfhaft bemüht, das Thema zu meiden, das alle als einziges im Kopf hatten. Wenn, dann wurde über Claire nur zwischen Tür und Angel gesprochen, teilnahmslos, als sei sie verreist oder tot. Falls überhaupt einer von ihnen genauer wusste, wo sie war oder wann sie zurückkommen würde, dann hatte ich es jedenfalls nicht gehört.
    James wartete unten, während Luke seine Ausrüstung zusammenpackte. Helm, Schoner, Stollenschuhe und Trikot wanderten in eine andere Tasche.
    »Gibst du immer noch nicht auf?«, fragte ich.
    »Ich mag es eben«, sagte er. »Ich muss nicht gut dabei sein.«
    »Kein Mensch denkt so über Dinge, die er macht.«
    Zu dritt warteten wir draußen vor dem Haus. James beobachtete den Verkehr und sagte: »Ich dachte, deine Mutter hätte dir Football nicht erlaubt.«
    »Das war vor vier Jahren«, korrigierte Luke. »Frag sie im richtigen Moment, dann ist sie mit fast allem einverstanden. Aber das weißt du

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