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Der Anfang aller Dinge: Roman (German Edition)

Der Anfang aller Dinge: Roman (German Edition)

Titel: Der Anfang aller Dinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Realität zurück. Es würden sich andere Gelegenheiten bieten. Sein Verlangen einstweilen auf Eis legend, löste er seinen Mund von ihren Lippen. »Was wolltest du mir vorhin erzählen?«, murmelte er.
    Ihr Atem kam zitternd. Liv versuchte sich krampfhaft zu erinnern, wer sie war, wer der Mann war, der sie in seinen Armen hielt, was er gerade zu ihr gesagt hatte. Als er sie anlächelte, begannen sich die Wolken in ihrem Kopf aufzulösen. »Geh zum Arzt.« Mehr als ein Wispern brachte sie nicht zustande. Ihre Knochen schienen aus Pudding zu bestehen. »Schnell, ehe du endgültig überschnappst.«
    »Zu spät.« Thorpe zog sie für einen letzten, glühenden Kuss an sich. Erschrocken über ihre hemmungslose Reaktion, wand Liv sich aus seiner Umarmung und fuhr sich nervös durchs Haar.
    »Das ist doch völlig verrückt«, sagte sie und versuchte ihm die Situation mit einer ungestümen Handbewegung begreiflich zu machen. »Wirklich total verrückt.« Sie holte tief Luft, beruhigte sich etwas. »Hör zu. Ich gebe ja zu, dass ich mich zu dir hingezogen fühle, und das ist schon schlimm genug; aber damit hat es sich auch. Ich werde diese Geschichte ganz schnell vergessen.« Sie zog sein Jackett von ihren Schultern und drückte es ihm in die Hand. »Und das erwarte ich auch von dir. Ich weiß nicht, wie viel du getrunken hast, aber es müssen ein paar Gläser zu viel gewesen sein.«
    Thorpe stand da und lächelte sie an; ein geduldiges, begütigendes Lächeln. »Hör auf zu grinsen«, befahl sie ihm. »Und –
und komm mir nicht mehr zu nahe.« Damit marschierte sie auf die Terrassentür zu, blieb stehen und drehte sich um und warf ihm einen letzten Blick zu. »Du bist verrückt«, wiederholte sie noch einmal nachdrücklich, ehe sie die Tür aufriss und davonstürmte.

5.
    Am nächsten Morgen fand Liv eine weiße Rose auf ihrem Schreibtisch. Sie stand in einer schlanken Porzellanvase, nur eine Knospe, die noch nicht aufgeblüht war. Natürlich wusste sie, wer sie geschickt hatte. Verwirrt sank sie auf ihren Schreibtischstuhl und starrte die Rose an.
    Als sie am Abend zuvor wieder an ihrem Kartentisch Platz genommen hatte, hatte sie sich geschworen, nicht mehr an das Gespräch mit Thorpe zu denken. Ein Gesunder grübelt nicht über die Worte eines Verrückten nach. Und trotzdem hatte sie in dieser Nacht lange wach gelegen. Jede Silbe ihrer Unterhaltung auf der Terrasse war noch einmal wie auf einem Tonband in ihrem Kopf abgelaufen. Und jetzt schickte er ihr Blumen.
    Das Klügste wäre gewesen, die Rose samt Vase in den Papierkorb zu werfen und die Sache zu vergessen.
    Liv berührte die frische Knospe mit der Fingerspitze und wusste, dass sie das nicht übers Herz brächte.
    Es ist doch nur eine Blume, sagte sie sich. Eine harmlose Blume. Ich werde einfach nicht daran denken, von wem sie stammt, beschloss sie und nahm sich ihr Manuskript vor. In einer Viertelstunde musste sie die Kurznachrichten lesen.
    »Liv, Gott sei Dank, dass du da bist!«
    Sie sah hoch, als der Disponent sich schnaufend über ihren Schreibtisch beugte. »Was gibt’s denn, Chester?« Chester war ein nervöser, stets gestresster Mann, der von Magentabletten und Kaffee lebte. Liv war eine derartige Begrüßung von ihm gewöhnt.
    »Schnapp dir sofort Crew zwei und fahr mit ihr zu den Livingston Apartments in Southeast. Ein Flugzeug ist gerade in den sechsten Stock geknallt.«
    Liv war schon aufgesprungen, Handtasche und Jacke in der Hand. »Irgendwelche Einzelheiten?«
    »Die kriegst du noch. Wir gehen auf Sendung, sobald du vor Ort bist. Ich habe dir einen Tonmann mitgeschickt. Hier in der Stadt rennt beinahe jeder mit einer Schniefnase herum.« Diese Bemerkung sollte wohl andeuten, dass er Schnupfen als Ausrede dafür, einen Live-Bericht abzulehnen, nicht gelten ließ. »Mach schon, die anderen sitzen schon im Bus.« Er schnippte gekonnt eine Pfefferminzpastille in den Mund.
    »Bin schon unterwegs«, rief Liv und eilte davon.
     
    Es war schrecklich, viel schrecklicher, als sie es sich je hätte vorstellen können. Das Heck des Flugzeugs ragte aus der Vorderfront des Hochhauses wie der Schaft eines Pfeils. Im ersten Moment hätte man glauben können, dies hier sei eine perfekt ausgearbeitete Kulisse für einen Katastrophenfilm. Die durch den Aufprall entstandenen Brandherde im Gebäude stießen dicke Rauchwolken aus. Ein beißender Geruch lag in der vor Hitze vibrierenden Luft. Das Gebäude war umstellt von Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr, der Polizei und

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