Der Anfang aller Dinge: Roman (German Edition)
der Rettungsdienste, und es kamen immer mehr dazu. Feuerwehrleute in ihren Schutzanzügen rannten in das Gebäude hinein, andere richteten die schweren Wasserschläuche auf die Brandherde. Die unteren Stockwerke wurden evakuiert. Liv hörte die Panikschreie der Bewohner, die teilweise das Heulen der Sirenen und das infernalische Knistern des Feuers noch übertönten.
Hinter den Absperrungen war die Presse bereits bei der Arbeit. Kameras, Scheinwerfer und Richtmikrofone wurden hin und her geschoben, Reporter, Fotografen und Techniker liefen umher, alles lief scheinbar hektisch, doch in Wirklichkeit in dem üblichen, routinierten Chaos ab.
»Wir bleiben mobil«, erklärte sie Bob, der gerade die Handkamera auf seine Schulter hievte. »Mach erst einmal eine Totale von dem Gebäude und den Einsatzfahrzeugen.«
»So was habe ich noch nie gesehen«, murmelte er entsetzt, während er die Kamera auf den sichtbaren Teil des Flugzeugrumpfs einstellte. »Kannst du dir vorstellen, wie es da drinnen aussieht?«
Liv schüttelte nur den Kopf. Sie wollte es sich gar nicht vorstellen. In diesem Haus waren Menschen. Übelkeit stieg in ihr hoch. Nimm dich zusammen, ermahnte sie sich. Du bist hier, um über das Unglück zu berichten.
»Dort ist Reeder.« Liv spähte in die Richtung, die Bob ihr mit einem Kopfnicken vorgab. »Der stellvertretende Einsatzleiter der Feuerwehr.«
»Okay, mal sehen, was er uns sagen kann.« Liv bahnte sich den Weg durch die Menge, wurde dabei immer wieder angerempelt und gestoßen, aber daran war sie gewöhnt. Sie hatte Übung darin, sich durch Menschenmassen zu schlängeln, und wusste, dass die Crew ihr folgte. Ganz vorne an der Absperrung angelangt, sicherte sie ihre Position und nahm dem Tontechniker das Mikro aus der Hand.
»Mr. Reeder, ich bin Olivia Carmichael von WWBW.« Sie beugte sich weit über die Absperrung und hielt ihm das Mikro vors Gesicht. »Können Sie uns kurz berichten, was passiert ist und wie es um die Löscharbeiten steht?«
Reeder musterte ungeduldig das Mikro, dann Liv. »Ein Charterflugzeug, kam vom National Airport«, erwiderte er knapp und ungehalten. »Die Ursache des Absturzes ist noch unbekannt. Vier Stockwerke des Gebäudes sind betroffen. Von den insgesamt sechs wurden bereits drei evakuiert.«
»Können Sie uns sagen, wie viele Menschen sich in dem Flugzeug befanden?«
»Zweiundfünfzig, einschließlich der Besatzung.« Er drehte sich um und brüllte einen Befehl in sein Funksprechgerät.
»Gibt es bereits Kontakt zu den Insassen der Maschine?«, insistierte Liv.
Reeder bedachte sie mit einem langen, schweigenden Blick. »Meine Männer arbeiten sich vom Dach und von den unteren Stockwerken aus zu der Maschine vor.«
»Wie viele Menschen befinden sich noch in dem Gebäude?«
»Sprechen Sie mit dem Eigentümer, ich bin beschäftigt.«
Liv gab Bob ein Zeichen, die Aufnahme zu stoppen. »Ich werde versuchen herauszufinden, wie viele Menschen noch da drin sind. Geh du zurück zum Bus und setz dich mit der Redaktion in Verbindung und frag nach, ob sie bereits die Flugnummer kennen, den Zielort und etwas über die Unglücksursache wissen. Wir machen einen Live-Bericht.« Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. »In fünf Minuten wieder hier.«
Liv drehte sich um, drängte sich wieder durch die Menge und hielt inne, als sie eine Frau allein auf dem Gehsteig hocken sah. Die Frau trug einen verschlissenen Morgenmantel und hielt ein Fotoalbum an die Brust gepresst. Liv unterbrach ihre Suche nach dem Hausbesitzer und ging auf die Frau zu.
»Entschuldigen Sie.«
Die Frau sah zu ihr hoch, blass und mit verstörtem Blick. Liv ging neben ihr in die Hocke. Sie sah, dass die Frau sich in einem Schockzustand befand.
»Sie sollten nicht hier draußen in der Kälte sitzen«, sagte Liv freundlich. »Haben Sie niemanden, zu dem Sie gehen können?«
»Sie haben mich nichts weiter mitnehmen lassen«, wisperte sie und presste das Album noch fester an sich. »Nur meine Fotos. Haben Sie den Knall gehört? Ich dachte, die Welt geht unter.« Der Klang ihrer zitternden Stimme ging Liv unter die Haut. »Ich habe gerade Tee aufgesetzt«, fuhr sie fort. »Mein ganzes Porzellan ist zerbrochen. Es stammte von meiner Mutter.«
»Das tut mir Leid«, sagte Liv, wissend, dass diese Worte mehr als hohl klangen. Sie legte der Frau eine Hand auf die Schulter. »Kommen Sie mit. Dort drüben steht ein Krankenwagen. Die Sanitäter werden sich um Sie kümmern.«
»Ich habe Freunde dort oben.« Die Frau
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