Der Angeklagte: Thriller (German Edition)
wäre er bei dem paramilitärischen Sturm auf Mololos Anwesen mit Sicherheit auch ums Leben gekommen.
So aber verpasste er die Party. Anstatt zu Mololos Haus zurückzukehren, kontaktierte er den Curtlee-Agenten, dem er im Laufe der Jahre die Namen mehrerer junger Mädchen geliefert hatte.
Er musste aus dem Land verschwinden. Er hatte Talente. Und er war gewillt, sie einzusetzen.
Und die Curtlees empfingen ihn mit offenen Armen.
Nun, an einem bedeckten Sonntagnachmittag, saß Ro auf dem Beifahrersitz des Toyota 4Runner, während Eztli auf dem Highway 1 Richtung Süden fuhr. Ros linker Arm war noch immer in Gips, aber davon abgesehen hatte er keine Ähnlichkeit mit dem Mann, der sechs Tage zuvor vor Richterin Donahoe stand. Er war frisch rasiert und elegant gekleidet: Khaki-Hose mit schwarzem Seidenhemd, dazu teure italienische Halbschuhe, die er ohne Socken trug. Das Pflaster, das er über der Nase getragen hatte, war verschwunden, die Schwellung um seinen Mund fast vollständig zurückgegangen – und wo eine Woche zuvor ein blaues Auge glänzte, befand sich inzwischen nur noch ein fahler gelber Fleck.
Als er am Morgen aufgewacht war, hatte er den dringenden Wunsch verspürt, dem O’Farrell Theatre einen Besuch abzustatten und sich in einer der Kabinen von einer heißen Schnitte nach allen Regeln der Kunst verwöhnen zu lassen. Er konnte gar nicht genug davon kriegen, schließlich hatte er neun lange Jahre darauf verzichten müssen. Und danach …? Er wusste es noch nicht. Die Nachmittage waren eh tödlich langweilig. Vielleicht würde er einfach wieder ins Bett gehen.
Aber dann, als er aus dem O’Farrell nach Hause kam, hatte Eztli auf ihn gewartet. Er hatte einmal mehr beteuert, wie untröstlich er war, bei Ros Begegnung mit der Polizei nicht zur Stelle gewesen zu sein. Okay, er hatte eine Entschuldigung, weil er an diesem Abend Ros Eltern in seiner Funktion als Bodyguard begleiten musste. Aber es war nun mal sein Job, die ganze Familie zu beschützen. Er hätte vor Ort sein müssen, als Glitsky und seine Cops anrückten. Jetzt wollte Eztli das wiedergutmachen und Ro wenigstens durch etwas Unterhaltung auf andere Gedanken bringen.
Sonntags hatte er dienstfrei, und da unten in Pescadero ein paar Hahnenkämpfe stattfinden sollten … vielleicht hatte Ro ja Lust, sich das mal anzuschauen? Es war immer eine unglaubliche Show, nicht zuletzt wegen der Mädels, die im Lauf der Kämpfe immer so richtig heiß wurden. Bei seinen Vorurteilen und seinem Selbstver ständnis wäre es für Ro normalerweise undenkbar gewesen, sich privat mit dem Personal abzugeben. In seinen Augen lebten sie in einem Universum, das Stratosphären unter dem seinen lag.
Aber Eztli war anders.
Zunächst einmal war er ein Mann – ein Kerl, der in seinem Leben schon einiges erlebt hatte. Und: Er behielt in allen Situationen einen kühlen Kopf, was ebenfalls immer ein Plus war.
Weit wichtiger aber war die Tatsache, dass Eztli sich um die Familie verdient gemacht hatte, als Ro im Knast saß. Er hatte Cliff und Theresa – die sich um Ros Sicherheit berechtigte Sorgen machten – vorgeschlagen, seine Latinoverbindungen spielen zu lassen und die anderen Gefängnisinsassen, vor allem die inhaftierten Mitglieder der berüchtigten mexikanischen EME -Gang, davon abzuhalten, Ro in irgendeiner Weise zu belästigen. Mehr noch: Für seinen Schutz wurden unter der Hand Prämien gezahlt.
Die beiden Männer hatten sich im Besucherraum des Gefängnisses mehrfach getroffen, um über die Höhe dieser Zahlungen zu sprechen, und waren dabei nicht nur gut miteinander ausgekommen, sondern hatten fast so etwas wie Freundschaft geschlossen. Davon ganz abgesehen war Ro durchaus gewillt, zumindest für einen Tag seine gesellschaftlichen Normen zu vergessen und sich von Eztlis Talenten als Animateur überraschen zu lassen.
Und so saßen sie nun gemeinsam im Wagen, passierten gerade Half Moon Bay, die Golfanlagen, rechts das Ritz-Carlton, und ließen einen Joint kreisen.
»Nie!«, sagte Ro. »Nie und nimmer werde ich zurück in den Knast gehen. Da lasse ich mich eher umlegen.«
Eztli zog noch einmal am Joint und reichte ihn zurück. »Deine Eltern sind wohl zuversichtlich, dass es so weit nicht kommen wird.«
»Das haben sie immer gesagt, aber ich bin mir nicht so sicher. Sie haben mir auch erzählt, dass sie diesen Wichser Farrell in der Tasche hätten, aber das lief wohl auch aus dem Ruder.«
»Schon, aber schau dir an, was passiert ist.«
»Was meinst
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