Der Angriff
ich denke schon«, sagte er schließlich, setzte sich auf und zog die Schuhe aus. Er nahm die beiden Schnürsenkel heraus und knotete sie zusammen. Ein Ende davon band er an das lange Seil, das andere führte er in einer weiten Schlinge um Annas Hals. »Wenn Sie wollen, dass wir Sie hochziehen, dann ziehen Sie dreimal hier dran.«
Anna nickte, und Rapp sagte: »Gute Idee, Milt.« Dann blickte er Anna an. »Es geht ungefähr drei Meter hier entlang und dann hinunter, bis Sie im dritten Untergeschoss ankommen. Wenn Sie unten sind, dürfen Sie nicht vergessen, sich um hundertachtzig Grad zu drehen, damit sie sich in der Hüfte beugen können. Sind Sie in der horizontalen Röhre angelangt, können Sie sich wieder auf den Bauch drehen. Dann kriechen Sie zur ersten vergitterten Öffnung weiter – und von dort sollten Sie in den Raum vor dem Bunker sehen können. Sie brauchen nicht lange da unten zu bleiben – eine Minute müsste reichen. Prägen Sie sich ein, wie viele Leute Sie sehen und auch, was Ihnen an Ausrüstung und Waffen auffällt. Dann ziehen Sie am Schnürsenkel, und wir holen Sie wieder herauf.«
Anna Rielly nickte nervös.
»Und vergessen Sie nicht, sich auf den Rücken zu drehen, wenn wir sie heraufziehen.«
»Okay, dann los, bevor ich es mir anders überlege«, sagte Anna, drehte sich auf den Bauch und zwängte sich durch die Öffnung.
Es war noch etwas enger, als sie gedacht hatte, und sehr staubig. Anna bezweifelte, dass Rapp sich hier drin hätte bewegen können, falls es ihm überhaupt gelungen wäre, sich hineinzuzwängen. Es war gerade hell genug, dass sie das untere Ende erkennen konnte. Schließlich schob sie sich langsam in die Röhre hinein – zuerst mit den Armen, dann mit dem Kopf und schließlich mit dem ganzen Oberkörper. Im nächsten Augenblick spürte sie, wie sich das Seil straffte, und die beiden Männer begannen sie hinunterzulassen. Als sie unten ankam drehte sie sich herum, damit sie den Neunzig-Grad-Knick bewältigen konnte.
Sie schob sich in den horizontalen Schacht und hielt einige Augenblicke inne. Das Seil um ihre Knöchel schnürte sie ein, doch es war gerade noch auszuhalten. Sie atmete einige Male tief durch und drehte sich wieder auf den Bauch. In diesem Augenblick hörte sie es – ein Surren, das von einem Bohrer zu stammen schien. Annas Herz begann schneller zu schlagen.
Sie kroch ein, zwei Meter weiter und hielt erneut inne. Das Geräusch hörte nicht auf. Ganz langsam schob sie sich voran, um sicherzugehen, dass sie selbst nicht das kleinste Geräusch machte. Je näher sie der vergitterten Öffnung kam, umso heller wurde es. Als sie die Öffnung erreichte, blickte sie direkt auf den Flur hinaus. Was sie da sah, ließ sie den Atem anhalten. Direkt vor ihr lag die metallglänzende Tür, die zum Bunker des Präsidenten führte. An der Tür waren an einem Gestell die drei Bohrer befestigt, die das Surren erzeugten. Auf dem Boden standen mehrere Werkzeugkisten und Wasserbehälter. Sie konnte von ihrem Blickwinkel aus nur einen Teil des Vorraums sehen, weil die Tür nicht ganz offen war.
Nachdem Anna sich alles eingeprägt hatte, was sie sah, wollte sie schon an der Schnur an ihrem Hals ziehen, als plötzlich ein Mann auftauchte. Annas erste Reaktion war, ein Stück zurückzuweichen, weil sie Angst hatte, er könnte sie sehen. Im nächsten Augenblick wurde ihr bewusst, wie unbegründet ihre Sorge war; hier in ihrem dunklen Loch konnte man sie bestimmt nicht erkennen. Der Mann, der mehr wie ein Klempner als ein Terrorist aussah, ging mit einem Becher in der Hand zu den Bohrern und überprüfte mit einem Maßband den Bohrfortschritt.
O Gott, dachte Anna, das würde eine unglaubliche Geschichte werden. Sie beobachtete den Mann noch einige Sekunden und zog dann dreimal an den Schnürsenkeln. Einige Augenblicke später begann sie im Schacht zurückzugleiten.
Jack Warch hatte sich einen Plan zurechtgelegt. Er wollte zuerst mit seinen Agenten darüber sprechen und dann den Plan dem Präsidenten unterbreiten. Warch redete ein, zwei Minuten mit jedem Einzelnen – und es stellte sich heraus, dass sie alle seinen Plan mit Begeisterung aufnahmen.
Der schwierige Teil kam jedoch erst. Präsident Hayes saß zusammen mit Valerie Jones auf einer der Couches und spielte Rommee. Bevor er hinüberging, überprüfte Warch noch einmal die Tür. Es sah ganz so aus, als hätten sie nicht mehr viel Zeit.
Warch trat vor den Präsidenten und räusperte sich hörbar. Als Hayes
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