Der Angriff
weiter. Es war fast Mittag, und das Geld war fast zur Gänze überwiesen. Aziz griff nach dem Telefon und wählte die Nummer, die das FBI ihm gegeben hatte. Es klingelte zweimal, ehe sich die bereits vertraute tiefe Stimme McMahons meldete.
»Sie haben Ihr Wort gehalten«, sagte Aziz, »also werde ich das Gleiche tun. Um halb ein Uhr werde ich ein Drittel der Geiseln freilassen. Halten Sie Ihre Leute zurück. Ich will keinen von ihnen auf der Straße sehen, sonst eröffne ich das Feuer. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
»Ja. Durch welche Tür kommen sie heraus?«
»Das geht Sie nichts an«, versetzte Aziz. »Ich werde Ihnen meine nächsten Forderungen morgen früh um sieben Uhr mitteilen. Bis dahin will ich nichts von Ihnen hören.« Der Terrorist legte auf. Es war sieben Minuten vor zwölf. Aziz beschloss, dass er die Geiseln sofort freilassen würde, um das FBI zu überrumpeln. Er bezweifelte zwar, dass sie so früh schon eine Attacke wagen würden, aber nachdem er den Sicherheitsberater des Präsidenten exekutiert hatte, war es besser, Vorsicht walten zu lassen.
Anna Rielly fühlte sich müde und geschwächt. Die Terroristen hatten ihnen gegen elf Uhr gestattet, auf die Toilette zu gehen, und dabei hatte sie am Waschbecken rasch ein paar Handvoll Wasser trinken können. Nachdem sie ihren Durst gestillt hatte, spürte sie erst, wie hungrig sie schon war. Der Terrorist mit dem zurückgekämmten schwarzen Haar hatte sie wieder auf die Toilette begleitet und sie dabei nicht aus den Augen gelassen.
Als sie wieder in der Messe auf dem Fußboden saß, blickte sie kurz auf und sah, dass der Mann sie unentwegt anstarrte. Sie fragte sich, wann er wohl zuschlagen würde und ob er es allein tun würde oder zusammen mit den anderen. Vor ihren Augen begann alles zu verschwimmen. Sie drückte beide Fäuste gegen die Augen und kämpfte gegen die Tränen an, die schließlich doch hervorbrachen.
Alles hätte sie ertragen können, nur das nicht. Wäre es besser zu sterben?, ging es ihr in ihrer Verzweiflung durch den Kopf.
Rafik Aziz kam in die Messe des Weißen Hauses und trat auf die verängstigten Geiseln zu. Keiner wagte ihn anzublicken, nachdem sie gesehen hatten, wozu er fähig war.
Aziz stemmte die Hände in die Hüften und sagte: »Jetzt hört mir gut zu, dann wird euch nichts geschehen.« Aziz begann im Kreis herum zu gehen. »Wem ich auf die Schulter tippe, der stellt sich an die Wand neben der Tür. Ein Drittel von euch wird freigelassen. Wenn eure Regierung morgen kooperiert, dann lasse ich noch einmal ein Drittel frei.«
Aziz dachte nicht daran, den zweiten Teil seiner Behauptung einzuhalten, doch die Geiseln sollten ruhig ein wenig hoffen. »Wer auch nur ein Wort spricht oder sonstwie stört, der muss sich wieder hinsetzen«, sagte Aziz und begann denjenigen der Geiseln, die der Tür am nächsten saßen, auf die Schulter zu tippen. Diejenigen, die am weitesten von der Tür entfernt waren, erkannten rasch, dass sie nicht drankommen würden. Einige von ihnen begannen zu schreien, und Aziz rief: »Ruhe, sonst komme ich hinüber und erschieße euch!«
Anna Rielly konnte es einfach nicht glauben; ihre Gebete schienen erhört worden zu sein. Der Anführer der Terroristen war schon ganz nah bei ihr. Ja, sie würde bald frei sein. Anna stieß Stone Alexander an und flüsterte ihm zu, dass er sich aufrecht hinsetzen solle. Das Haar des gut aussehenden Reporters war auf einer Seite plattgedrückt; er schien gar nicht zu wissen, was hier vor sich ging. Aziz tippte zuerst Anna, und dann Alexander auf die Schulter. Anna stand auf und zog Alexander auf die Beine. Während sie auf die Tür zuging, kam sie sich vor wie in einem Traum. Sie sah zu ihren Leidensgenossen hinüber, die schon bei der Tür standen, und lächelte. Ja, der Traum wurde Wirklichkeit.
Ihr Lächeln schwand rasch, als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte. Anna ging noch einen Schritt weiter, doch die Finger packten fester zu. Alexander ging wie in Trance zu den anderen hinüber, denen die Freiheit winkte.
Der Terrorist mit dem zurückgekämmten Haar hielt sie fest und rief Rafik Aziz etwas auf Arabisch zu. Aziz hörte kurz zu zählen auf, sah Anna Rielly an und nickte zustimmend. Dann zeigte er auf eine andere Frau, die noch am Boden saß, und sagte: »Du gehst an ihrer Stelle.« Es war Aziz völlig egal, was seine Männer mit den Frauen anstellten. Sie waren nichts anderes als Kriegsbeute.
Anna riss sich aus dem Griff des
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