Der Angriff
»Das ist nur ein kleiner Rückschlag, nicht mehr.« King ging zweimal auf und ab und sagte schließlich: »Ich werde durchsickern lassen, dass das Ganze Marge Tutwilers Idee war. Und wir lassen Direktor Roach mit der Presse sprechen. Uns wird nichts passieren.«
»Ja, im Moment vielleicht«, meinte Baxter niedergeschlagen. »Aber die Sache wird immer schlimmer. Irgendwann werden wir das Haus stürmen müssen, und dabei werden wir wahrscheinlich viele Geiseln verlieren. Wir sind aufgeschmissen, Dallas. Wie man’s auch dreht und wendet – ich werde am Ende die Verantwortung für ein Blutbad tragen müssen.«
King schüttelte den Kopf. »So weit ist es noch lange nicht. Wenn es einen Ausweg gibt, dann werde ich ihn finden. Marge ist jedenfalls aus dem Rennen, darum werden wir jetzt Direktor Roach an die vorderste Front schicken. Falls dieser verrückte Bastard tatsächlich ein Drittel der Geiseln freilässt, dann sollten Sie sich mit den Geiseln in der Öffentlichkeit zeigen. Es kann nicht schaden, wenn Sie sich für die Freilassung feiern lassen. Aber wenn er neue Forderungen stellt, sollten Sie sich im Hintergrund halten. Die Sache ist noch lange nicht vorbei, Sherman – aber ich helfe Ihnen da durch, darauf können Sie sich verlassen.«
17
An Schlaf war nicht mehr zu denken. Nachdem Warch entdeckt hatte, dass man die Tür zum Bunker aufbrechen wollte, schloss in dieser Nacht keiner mehr ein Auge. Die Anspannung nahm zu, nachdem das Surren an der Tür mit jeder Stunde ein klein wenig lauter wurde. Ein weiteres Unheil verkündendes Zeichen war, dass sich die Tür an manchen Stellen zunehmend wärmer anfühlte.
In dem Bemühen, die Anspannung zu lösen und seinen Leuten eine Aufgabe zu geben, hatte Jack Warch zusammen mit Special Agent Ellen Morton einen Dienstplan erstellt. Als erste Maßnahme wurden alle Funkgeräte und Telefone eingesammelt. Nachdem sich neun Sicherheitsbeamte im Bunker aufhielten, verfügten sie insgesamt über neun verschlüsselte Funkgeräte und neun digitale Telefone. Man einigte sich darauf, nur je eines der Geräte eingeschaltet zu lassen.
Während einer der Agenten auf Anrufe wartete, war ein anderer bei der Tür postiert, um eventuelle seltsame Geräusche oder besondere Vorkommnisse zu melden. Zwei weitere Agenten hatten die Aufgabe, ständig zwischen dem Präsidenten und der Tür zu bleiben. Während diese vier Agenten ihre Posten besetzten, konnten die vier anderen schlafen oder essen. Die beiden Teams arbeiteten im Vier-Stunden-Takt. Warch war als Einziger nicht in den Takt eingebunden.
Nachdem er die Batteriereserven der Telefone überprüft hatte, ging Warch zur Tür hinüber und legte die Hand darauf. Er glaubte sich zu erinnern, dass der Bunker jeder herkömmlichen Bombe und den meisten Atombomben standhielt, solange er nicht direkt getroffen wurde. Wenn die Bombe direkt auf das Weiße Haus fiel, dann half ihnen der Bunker auch nichts mehr. Warch hatte jedoch keine Ahnung, welchen Schutz der Bunker gegen eine Bande von Terroristen bot, die mit Bohrern einzudringen versuchten.
Warch wandte sich von der Tür ab und blickte zum Präsidenten hinüber, der mit seiner Stabschefin auf einer Couch saß. Der Präsident lud ihn mit einem Handzeichen ein, sich zu ihnen zu setzen.
Präsident Hayes gehörte zu den Männern, die sich zweimal täglich rasierten. Nachdem er bereits zwei Rasuren ausgelassen hatte, war sein Gesicht mit dichten grauen und braunen Bartstoppeln bedeckt. Sein Jackett und die Krawatte lagen auf der Koje, auf der er geschlafen hatte. »Jack, bitte nehmen Sie doch Ihre Krawatte ab«, forderte er Warch auf. »Das gilt auch für Ihre Leute.«
Nach dem Anschlag hatte sich Warch im Zorn die Krawatte heruntergerissen. Seine Gefühle gegenüber dem Präsidenten waren auf einem absoluten Tiefpunkt angelangt. Hayes und seine Stabschefin hatten die üblichen Vorsichtsmaßnahmen des Secret Service umgangen, was mit Sicherheit einige Menschenleben gekostet hatte. Jetzt, über zwanzig Stunden später, hatte er seine persönlichen Gefühle zurückgestellt und die Krawatte wieder angelegt. Er hatte eine Aufgabe zu erfüllen, und dazu gehörte es nun einmal, dem Präsidenten mit Respekt zu begegnen – egal, was er von ihm als Person hielt.
Warch nickte dem Präsidenten dankend zu und öffnete den Knoten seiner seidenen Krawatte.
»Gibt es irgendetwas Neues?«
»Ich fürchte, nein, Sir«, antwortete Warch in neutralem Ton.
»Sind Sie sicher«, fragte Valerie
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