Der Angriff
zehn Meter senkrecht hinunter und läuft dann gut sechzig Meter geradeaus. Im Heizungskeller mündet er dann in die Heizungs- und Belüftungsanlage.«
Rapp blickte auf den Plan. »Ist dieser Schacht irgendwie bewacht? Könnte man da hinkommen, ohne dass einen jemand vom Dach aus sieht?«
»Kommen Sie, dann zeige ich es Ihnen auf dem Modell«, sagte Adams und trat in die Mitte des Raumes, wo er sichtlich stolz die beiden weißen Tücher von dem großen Tisch herunterzog. Vor ihnen stand ein detailgetreues Modell des Weißen Hauses samt Umgebung. »Wissen Sie, Mitch, so geht es einem, wenn man im Ruhestand ist. Ich habe vor fast zwanzig Jahren mit einem meiner Neffen mit diesem Projekt begonnen. In dieser Zeit habe ich ungefähr die Hälfte der Arbeit zustande gebracht. Als ich dann in den Ruhestand ging, habe ich den Rest in einem halben Jahr fertiggestellt.«
Rapp betrachtete das Modell und versuchte den angesprochenen Lüftungsschacht zu finden. Adams wusste, wonach Rapp suchte, und schob an einer Stelle die Buschwerkattrappen zur Seite. »Hier ist der Zugang«, sagte er und zeigte mit seiner knochigen schwarzen Hand auf den Schacht.
Rapp studierte die Bäume und Büsche zwischen dem Lüftungsschacht und dem Weißen Haus. »Sind Sie sicher, dass mich nicht jemand vom Dach aus sehen könnte, wenn ich mich zum Schacht schleiche?«
»Eigentlich nicht. Die Frage ist nur, ob die Kerle das Überwachungs- und Alarmsystem des Secret Service zur Verfügung haben. Das ganze Gelände hier« – Adams zeigte auf den Zaun – »ist mit Sensoren bestückt. Benutzen sie unser System, dann bekommen sie es ganz sicher mit, wenn Sie über den Zaun steigen.«
Rapp verschränkte die Arme und fasste sich nachdenklich ans Kinn. Er betrachtete den hufeisenförmigen Zaun, der die South Lawn begrenzte, und nickte.
»Das lässt sich aber bestimmt irgendwie lösen«, sagte Adams mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Durch ein Ablenkungsmanöver vielleicht … Das wirkliche Problem ist, wie Sie sich im Haus zurechtfinden. Es gibt da jede Menge geheime Türen, und sogar Aufzüge, Treppen und Gänge, die auf keinem Plan verzeichnet sind. Selbst die Agenten des Sonderkommandos zum Schutz des Präsidenten wissen zum Teil nicht darüber Bescheid. Sie werden jemanden brauchen, der mit Ihnen geht und der sich auskennt.« Adams hielt einige Augenblicke inne und fügte dann hinzu: »Oder Sie sagen mir, was Sie genau vorhaben, damit ich Ihnen beim Planen helfen kann.«
Rapp blickte von dem Modell auf und musterte Milt Adams eingehend. Es galt eine Entscheidung zu treffen. Die Frage war, ob man Adams in die Sache einweihen sollte oder nicht, und Rapp hatte nicht die Geduld, um die Vor- und Nachteile mit Stansfield und Irene Kennedy zu diskutieren.
Dallas King stand frustriert in dem kleinen Büro gegenüber der Kommandozentrale des FBI, während sich eine Sanitäterin um Margaret Tutwiler kümmerte. King blickte auf die Justizministerin hinunter und schüttelte den Kopf.
Die Sanitäterin maß zuletzt noch ihren Blutdruck. »Ich denke, sie hat einen Schock«, sagte sie schließlich.
»Scheiße«, stieß King hervor, während er im Zimmer auf und ab ging. »Also, was heißt das jetzt genau? Kann sie zur Presse sprechen oder nicht?«
»Nein.« Die Sanitäterin, die immer noch bei der Justizministerin kniete, runzelte die Stirn. »Sie muss ins Krankenhaus.« Margaret Tutwiler saß wie erstarrt auf einer braunen Ledercouch; ihre Augen starrten ins Leere.
King hielt sich die Hände vor den Mund und stieß einige wüste Flüche aus. »Ich hab’s ja gleich gewusst«, murmelte er wütend. Zur Sanitäterin gewandt, sagte er: »Bringen Sie sie ins Krankenhaus. Und ich will, dass niemand mit ihr spricht.« King riss die Tür auf und ging aufgebracht hinaus. Als er die andere Seite des Hauses erreichte, ignorierte er die Sicherheitsbeamten, die vor dem Konferenzzimmer standen, und trat ohne anzuklopfen ein.
King knallte die Tür hinter sich zu und fluchte wütend.
Vizepräsident Baxter schreckte hoch und sah King mit verärgerter Miene an. »Dallas, ich habe gesagt, ich will allein sein.«
»Dieses blöde Miststück hat einen Schock.«
»Was?«, fragte Baxter verwirrt.
»Diese Tutwiler … sie hat einen Schock«, stieß er zornig hervor. »Sie kann nicht sprechen … sie muss ins Krankenhaus.«
»Na großartig«, seufzte Baxter und schloss resigniert die Augen.
»Wir werden schon damit fertig«, beharrte King, nach einer Lösung suchend.
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