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Der Angstmacher

Der Angstmacher

Titel: Der Angstmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Hätte sie sich jetzt im Spiegel sehen können, wären ihr die rotgeäderten Augen aufgefallen, die wie dicke, gläserne Klumpen in den Höhlen lagen. Sie war fertig…
    Aber Sally erholte sich wieder im Gegensatz zu ihrer Mutter. Irgendwann stand sie auf.
    Die Kleidung hing an der Haut fest, so sehr war sie mit einem Schweißfilm bedeckt. Die Lippen zuckten, als sie lächelte und die Harfe betrachtete, über deren Rahmen sie noch einmal zärtlich strich, bevor sie zur Tür ging.
    An der Treppe blieb sie stehen und schaute in die Höhe. Sie machte dabei einen zögernden Eindruck, als müßte sie erst noch überlegen, ob sie die Stufen gehen sollte oder nicht.
    Schließlich gab sie sich einen Ruck und stieg die Treppe hoch. Jeder Tritt hinterließ ein Echo. Diese Laute begleiteten ihren Weg in die erste Etage.
    Dort befand sich die Mutter.
    Mit der rechten Schulter stützte sich Sally an der Wand ab, bevor sie auf das Zimmer der Mutter zuging. Diesmal schlurfte sie. Das Mädchen hatte Mühe, seine Füße so anzuheben, um normal gehen zu können. Der Weg zog sich lang hin, und Sally war nicht einmal überrascht, als sie die Splitter im Flur entdeckte.
    Sie wußte ja, was sie getan hatte.
    Dann stand sie vor der zerstörten Tür. Der Blick fiel frei in den Raum, die Mutter lag auf dem Bett.
    Bewegungslos, verkrümmt, mit angezogenen Beinen und hochgereckten Schultern.
    Ihr blasses Gesicht war der Tür zugedreht, keine Verletzung zeigte sich an ihrem Körper, alles war normal, nur innerhalb des Gesichts zeichnete sich ein furchtbarer Schrecken ab. Ein schlimmes Schicksal, da hatte sich das Grauen eingefräst.
    Sally nickte der Toten zu. »Dich trifft die Schuld an deinem Ende, Mum. Du hättest alles mit mir machen dürfen, mir nur nicht einzureden, meine Harfe abzugeben. Sie ist ein besonderes Instrument, weißt du? Einfach wunderbar. Sie hat etwas an sich, das man nicht beschreiben kann. Ich… ich weiß, Mutter, ich hätte dich warnen können, aber ich schaffte es nicht. Du standest nicht mehr auf meiner Seite. Es tut mir nicht einmal leid. Die Harfe, die Angst und ich, wir bilden gemeinsam ein Dreieck, das immer stärker werden wird. Ich gehe von hier weg und komme nicht mehr wieder. Good bye, Mummy…«
    Sie drehte sich um und ging, ohne noch einen Blick zurückzuwerfen. Die Zeit drängte, denn sie mußte noch packen. Die Reise war längst gebucht worden. Die würde sie auch antreten — mit der Harfe…
    ***
    Nicht daß ich die Ausführungen des Samuel Archer nicht für bare Münze genommen hätte, aber mir war einfach zuviel dazwischengekommen, so daß ich den Besuch bei den Salers hatte verschieben müssen. Ich hatte noch einmal rnit Sarah Goldwyn über den Fall gesprochen, aber keine neuen Anhaltspunkte bekommen. Sie wußte über die Salers nichts, hatte nur dem Trödler einen Gefallen tun wollen. Auf die Frage, nach seiner Ware hatte Lady Sarah gelacht. »Weißt du, John, der verkauft alles.«
    »Ist es echt?«
    »Das muß der Käufer entscheiden. Er hat viel Kram, aber auch einige Schmuckstücke darunter. Den Kram verscherbelt er an Touristen, die Bonbons darunter bekommen Kunden wie ich gezeigt.«
    »Dann hast du die Harfe nicht gesehen?«
    »Auf keinen Fall. Außerdem interessieren mich alte Musikinstrumente nicht. Archer hat, nachdem er die Harfe verkaufte, so etwas wie ein schlechtes Gewissen bekommen und mich deshalb angerufen. Er war der Ansicht, daß in den Saiten so etwas wie ein böser Geist sitzt. Alles andere mußt du herausfinden.«
    Das tat ich auch und mit einer gewissen Verzögerung. Es waren mittlerweile zwei Tage vergangen, als ich mich auf den Weg machte, um die Salers zu besuchen.
    Sie lebten in einer typischen Londoner Wohnsiedlung, bei der die Häuser noch aus einer Zeit stammten, in der ich nicht einmal geboren war. Früher waren sie kleiner gewesen. Im Laufe der Zeit hatten viele Mieter und Besitzer um-oder angebaut.
    Ich rollte mit dem Rover durch eine ziemlich schmale Straße, An einigen Stellen war Park-und Halteverbot. Alte Laternen vermittelten einen Hauch von Nostalgie.
    Der Himmel über London hatte eine graue Farbe angenommen. Die große Hitze der letzten Tage war verflogen. Regenprall wirkten die Wolken. In der Nacht hatte es geschüttet, jetzt waren die Straßen wieder getrocknet.
    Es war eine ruhige Gegend. In den Vorgärten sah ich ältere Menschen, die den Boden aufharkten. Langsm rollte ich an einem Lebensmittelgeschäft vorbei. Ein typischer Tante-Emma-Laden. Zwei Häuser

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