Der Angstmacher
weiter lebten die Salers.
Vor dem Haus fand ich einen Parkplatz. Die Vorderfront war mit Pflanzen bewachsen. Schlangengleich rankten sie am Mauerwerk in die Höhe und erreichten die Dachrinne. Die hellen Balken der Fenster sahen aus wie frisch gestrichen.
Ich stieg aus und mußte durch einen Vorgarten gehen. Die Tür duckte sich in eine Nische hinein. Ich fand einen dunklen Klingelknopf, drückte ihn und hörte im Haus einen Gong.
Niemand kam, um zu öffnen. Nach dem vierten Klingeln gab ich auf, fand einen Pfad, der um das Haus herum und an der Seite des Nachbargebäudes entlangführte.
In einem Hof fand ich mich wieder. Man hatte ihn als kleinen Garten angelegt, auch die Mieter der übrigen Häuser waren zu Gärtnern geworden. Das Geviert sah so aus, als könnte es von allen Bewohnern als Oase der Ruhe und als Garten benutzt werden.
Eine Hintertür war schnell gefunden. Im Gegensatz zum Eingang war sie nicht verschlossen.
Ich fand mich in einem Flur wieder. Die Steine waren sauber gewischt worden. Damit das Haus nicht zu klein wirkte, hatte man die Wände hell gestrichen.
Auf mein Rufen hin bekam ich keine Antwort.
Einmal im Haus, wollte ich es auch durchsuchen, schaute mich unten um, fand jedoch keine Bewohner vor. Alles wirkte auf eine bestimmte Art und Weise verlassen, als wären die Bewohner nur eben weggegangen, um einzukaufen, wobei sie dann das Wiederkommen vergessen hatten. Ich achtete sehr auf mein Gefühl, auf die innere Stimme. Und die sagte mir, daß in diesem Haus etwas nicht stimmte. Da war etwas anders geworden, hier schien das Leben gestoppt zu sein. Und noch ein anderer Hauch schwebte zwischen den Wänden. Ein kalter, kein Wind, nur ein Gefühl.
Möglicherweise der Tod…?
Ich hatte in das Wohnzimmer und die Küche geschaut. Erst danach schritt ich hoch in die erste Etage. Jede Stufe bewegte sich unter meinem Gewicht, als würde sie stöhnen und durch den Druck meiner Schritte schwer verletzt werden.
Auf dem Geländer lag ein leichter Staubfilm. Glitt ich mit den Fingern darüber hinweg, hinterließ ich eine blanke Stelle. Dann war ich oben.
Im Flur stand eine Tür offen. Ich schaute in ein kleines Bad. Die zweite Tür führte in einen Schlafraum. Als ich sie aufstieß, wehte mir schon der Geruch entgegen.
Er war widerlich, ich kannte ihn, hatte ihn oft gerochen, und ich preßte meine Hand auf den Mund. Leichengeruch…
Die Tote lag auf dem Bett. Ihre Haut zeigte sich bereits verändert. Sie mußte schön länger tot sein. Aber der Schrecken auf dem Gesicht war geblieben, als hätte sie in den letzten Sekunden ihres Lebens etwas Furchtbares gesehen.
Das mußte Ellen Saler sein!
Ihre Tochter war jünger. Mit angehaltenem Atem ging ich auf das Bett zu. Ich untersuchte die Frau mit Blicken uhd konnte keine äußerliche Wunde erkennen.
Sie war, wenn ich dem ersten Eindruck glauben schenken wollte, eines normalen und keines gewaltsamen Todes erlegen. Nur — weshalb zeichnete sich dann die Angst in ihrem Gesicht ab? Was hatte sie gesehen?
Ich verließ den Raum und atmete im Flur tief durch. Hier oben hatte ich nichts mehr zu suchen, ging wieder die Treppe hinab und blieb im Wohnraum, wo ich auch ein Telefon gesehen hatte.
Dann rief ich die Kollegen der Mordkommission an. Sie waren natürlich nicht erfreut, als sie meine Stimme hörten, versprachen aber, so rasch wie möglich zu erscheinen.
Die Wartezeit verkürzte ich, indem ich das Haus durchsuchte. Ich fand alles mögliche, nur eben nicht die Harfe. Und auch Sally Saler, die Tochter, sah ich nicht.
Sie mußte das Haus mit ihrem Musikinstrument verlassen haben. In der kleinen Küche nahm ich Platz und machte mir Vorwürfe, so spät gekommen zu sein. Ich hätte den Worten des Trödlers mehr Beachtung schenken sollen. Es war ein Fehler gewesen, es nicht getan zu haben, und ausradieren konnte ich ihn nicht mehr.
Die Harfe!
Meine Gedanken blieben an diesem Musikinstrument hängen, sie mußte tatsächlich mit einem Fluch beladen sein. Ich erinnerte mich an den ängstlichen Ausdruck im Gesicht der Frau. Er war nicht normal gewesen, auch nicht für eine Tote.
Was hatte sie erlebt?
Vielleicht hätte mir Sally Saler mehr sagen können, die jedoch war verschwunden, das bestimmt nicht grundlos. Wahrscheinlich war ihr Vorsprung schon uneinholbar geworden.
Die Kollegen der Mordkommission waren früher als erwartet da. Mich interessierte besonders, was der Arzt sagte. Seine Diagnose war schnell gestellt.
»Herzschlag«, erklärte er
Weitere Kostenlose Bücher