Der Angstmacher
sich mit einem Handtuch den Schweiß der Arbeit aus dem Gesicht. Als er das Handtuch sinken ließ, stand ich vor ihm. Er schaute zu mir hoch. »Sie schon wieder.«
»Wir waren verabredet, Herr Doktor.«
»Ja, ich weiß.«
»Haben Sie jetzt Zeit?«
Er hob einen Zeigefinger wie ein Oberlehrer. »Sie müssen sich merken, daß ich so gut wie keine Zeit habe. Ich arbeite immer, auch wenn es nicht so aussieht. Gedanklich jedoch beschäftige ich mich mit der Musik, und das muß auch so sein.«
»Ja, das glaube ich Ihnen.«
»Gut, was wollen Sie?«
Ich holte mir einen Stuhl und setzte mich ihm gegenüber. »Im Vertrauen gesagt, Herr Dr. Kimmler, ich bin nicht von einer Zeitschrift, sondern von der Polizei.«
»Wie…?« Er zog ein Gesicht, als würde er sich vor mir ekeln.
»Scotland Yard«, sagte ich und zeigte ihm meinen Ausweis, den er sich kaum anschaute.
»Ja«, stöhnte er und nickte. »Wenn Sie schon aus London hergekommen sind, müssen Sie einen Grund haben.«
»Den habe ich auch. Es ist die Harfe.« Er sagte zunächt einmal nichts.
»Sie meinen unsere Harfe hier im Orchester?«
»So ist es.«
»Aber das ist doch Unsinn. Was wollen Sie mit der Harfe. Das Instrument ist in Ordnung.«
»Das bestreitet niemand, Herr Dr. Kimmler. Nur haben wir den begründeten Verdacht, daß bei ihr anderweitige Schwierigkeiten auftreten.«
»Wie meinen Sie das denn?«
»Es geht um ihre Herkunft und auch um die Person, die das Instrument spielt.«
»Sally Saler?«
»Richtig.«
Er lachte. »Hören Sie, Miß Saler ist eine begnadete Person. Auf sie lasse ich nichts kommen.«
Ich wehrte mit beiden Händen ab. »Das glaube ich Ihnen gern, Herr Dr. Kimmler. Es geht mir auch nicht primär um Sally Saler, ich bin vielmehr an der Harfe interessiert.«
»Ist etwas damit?«
»Ich weiß es noch nicht«, erwiderte ich ehrlich. »Es hat den Anschein, daß die Harfe auf verschlungenen Pfaden in die Hände des Mädchens gelangt ist. Ich müßte sie untersuchen.«
»Das verstehe ich nicht…«
»Darf ich mir die Harfe ansehen?«
Er hob die Schultern. »Bitte, wenn Sie nichts an dem Instrument zerstören, habe ich nichts dagegen.«
»Um Himmels willen, ich werde mich hüten.«
Die Mitglieder des Orchesters hatten ihre Musikinstrumente zurückgelassen. Ich umging den Halbkreis der Sitzplätze und blieb neben der Harfe stehen..
Nun bin ich wahrlich kein Experte, was Musikinstrumente angeht. Ich schaute mir die Harfe an, und mir klangen dabei die Worte Samuel Archers in den Ohren.
»Sie ist gefährlich. In ihr steckt das Böse. Ein mächtiger und böser Geist…«
Wenn er tatsächlich recht hatte, mußte dieser Geist nicht nur zu finden, auch auszutreiben sein. So genau ich mir die Harfe auch ansah, äußerlich war nichts zu erkennen.
Der Dirigent war mir gefolgt. Er hatte die Hände in die Hüften gestützt.
»Na?« fragte er, »haben Sie etwas gefunden? Hat sich Ihr Verdacht bestätigt?«
»Noch nicht.«
Dr. Kimmler lachte. »Dann sagen Sie mir doch ehrlich, was Sie eigentlich suchen?«
»Das weiß ich auch nicht genau.« Ich blickte die Saiten an und zupfte darüber hinweg.
Sofort wehten die Klänge durch den Raum, und ich hatte plötzlich das Gefühl, als würden meine Eingerkuppen anfangen zu brennen. Hastig schaute ich sie an, sah aber nichts, was darauf hingedeutet hätte.
»Haben Sie was?«
»Nein, Herr Dr. Kimmler. Es kam mir nur so vor, als hätte ich mich geschnitten.«
»Das kann durchaus passieren, wenn ein Laie unvorsichtig mit dem Instrument umgeht.«
»Was haben Sie an meiner Harfe zu suchen?«
Beide schraken wir zusammen, als wir von der offenen Tür her die Stimme des Mädchens hörten.
Wir drehten uns um und sahen Sally Saler auf der Schwelle stehen. Ihr Gesicht hatte einen anderen Ausdruck bekommen. Er wirkte kalt, abweisend und gleichzeitig so, als wollte sie uns vernichten. Eine Aura des Hasses strömte uns entgegen.
»Entschuldigen Sie«, sagte ich, »aber das Instrument interessiert mich sehr.«
»Weshalb?«
»Ich kam aus London!«
Sie ging näher. »Na und?«
»Dort habe ich auch Ihre Mutter gesehen, Miß Saler!«
Sally stoppte abrupt ihren Schritt. »Meine Mutter? Was soll das heißen, Mr. Sinclair?«
Sie hatte also meinen Namen behalten. »Wissen Sie nicht, was mit Ihrer Mutter geschehen ist?«
Sie zögerte mit der Antwort. »Wie sollte ich? Als ich sie verließ, wünschte sie mir eine gute Reise.«
»Ihre Mutter ist tot.« Ich hatte den Satz bewußt hart ausgesprochen, weil ich
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