Der Angstmacher
zurückzugehen, sondern mir einen anderen Teil des Geländes anzusehen. Die Häuser interessierten mich. In einige von ihnen schaute ich hinein, hörte auch den Erklärungen eines Gruppenleiters zu, zog mich aber schnell wieder zurück und schlug den Weg zur Herberge ein, wo Dr. Kimmler noch immer üben ließ.
Ich schielte in den Raum. Alle waren versammelt. Niemand hatte mich gesehen, das war auch gut so, weil ich mir das Zimmer der Sally Saler anschauen wollte. Möglicherweise fand ich etwas, das meinen Verdacht bestätigte.
Ich drückte mich in das Haus und schlich die Treppe hoch. Sie hatte mir vor knapp zwei Stunden vom Fenster her zugeschaut. Jetzt zählte ich nur die Türen ab, um den Raum zu erreichen, in dem Sally Saler schlief. Vorsichtig öffnete ich die Tür.
Bei einer Person, wie sie es war, mußte ich mich auf Überraschungen gefaßt machen.
Ich konnte den Raum betreten, ohne daß ich überrascht wurde. Innerhalb weniger Minuten hatte ich das Zimmer durchsucht, ohne allerdings etwas gefunden zu haben. Es gab keinen Hinweis auf ein Verbrechen.
Erst als ich im Gang stand, fiel mir auf, daß die Übungszeit vorbei war. Keine Musik schallte nach oben. Dafür polterten Tritte die Treppenstufen hoch.
Die Musiker kehrten auf ihre Zimmer zurück und brachten die Instrumente gleich mit.
Eine Harfe gehört zu den schwersten Musikinstrumenten. Ich wunderte mich darüber, mit welch einer Leichtigkeit Sally ihre Harfe trug. Sie war nicht einmal außer Atem, als sie die Treppe hinter sich gelassen hatte, mich sah und stehenblieb.
»Da sind Sie ja wieder«, sagte sie.
»Genau.«
»Wollten Sie zu mir?«
»Das hatte ich vor.«
Sie ließ zwei andere Musiker vorbei, ehe sie eine Antwort gab. »Gut, kommen Sie. Ich nehme an, daß Sie mein Zimmer bereits durchsucht haben, deshalb können Sie mir auch die Tür öffnen.«
»In der Tat«, gab ich zu.
Sie ging an mir vorbei. Ich sah sie im Profil und glaubte, ein kaltes Lächeln auf ihren Lippen zu sehen. Sicher war das allerdings nicht. Neben dem Bett blieb sie stehen. »Kommen Sie schon, Mr. Sinclair. Oder trauen Sie sich nicht?«
»Keine Sorge, das geht schon klar.« Ich betrat den Raum und nahm Platz. Nicht auf dem Bett, wo Sally saß und die Harfe festhielt, sondern auf einem Stuhl.
Wir schauten uns an. Sie wartete darauf, daß ich ihr die erste Frage stellte. Ich enttäuschte sie nicht. »Stimmt es tatsächlich, daß zumindest die Saiten der Harfe sehr alt sind?«
»Das kann sein. Wie alt denn?«
»Ich hörte, daß sie aus der Pharaonenzeit stammen sollten. Schließlich haben die alten Ägypter die Harfe erfunden.«
»Möglich«
»Wissen Sie das wirklich nicht?«
»Nein, da habe ich noch nicht gelebt.« Sic schaute mich spöttisch an.
»Ich wundere mich, daß Sie darüber so gut informiert sind.«
»Es ist so meine Art«, erklärte ich lächelnd. »Wenn ich einen Fall zu bearbeiten habe, muß ich mich informieren, das einmal vorweggenommen. Aber ich will auf etwas anderes hinaus. Man sagt den Saiten nach, daß sie auf eine magische Art und Weise beeinflußt sind. Daß auf ihnen ein Fluch liegen soll?«
»Tatsächlich?«
Ich nickte und blieb weiterhin ruhig. »Ja, es geht die Legende um, daß die Saiten möglicherweise das Gefängnis eines Dämons bilden. Iiiner uralten Gestalt. Wie weit das stimmt, kann ich Ihnen nicht sagen. Aber ich bin hier, um Sie zu fragen. Außerdem kam es mir vor, als hätte ich mir die Hände verbrannt, als ich anfing, die Saiten zu zupfen. Das war bestimmt keine Einbildung, und dieses brennende Gefühl auf den Fingerkuppen ist nicht normal.«
»Wer hat Ihnen denn erlaubt, auf meiner Harfe zu spielen?«
»Niemand.«
»Da sehen Sie es.«
»Ich gebe Ihnen recht. Nur wenn ich die Geige eines ihrer Kollegen nehmen würde, glaube ich nicht, daß dabei das gleiche passiert.«
»Vielleicht.« Sie hob die Schultern. »Diese Harfe ist eben etwas Besonderes, und damit sollten Sie sich abfinden, Mr. Sinclair.«
»So wie Sie mit dem Tod Ihrer Mutter.«
»Eben.«
»Sie haben sich nicht sehr geschockt gezeigt.«
»Das täuscht, ich trauere mehr innerlich.«
»Und was ist mit Jens Andersen?« schoß ich die nächste Frage ab.
»Wie ich hörte, ist er verschwunden.«
»Ich bin nicht sein Kindermädchen.«
»Aber sie waren mit ihm zusammen.«
Sie schaute mich lauernd an. »Wer sagt das?« zischte sie. »Wer hat so etwas behauptet, Dr. Kimmler?«
»Nein. Ich gehe davon aus.«
»Sie waren nicht hier. Jens Andersen paßte
Weitere Kostenlose Bücher