Der Angstmacher
durcheinander…«
»Kann er abgereist sein?«
»Das glaube ich nicht. Welchen Grund sollte er gehabt haben?«
»Wie war das denn am Abend? Wann sahen Sie ihn zum letztenmal?«
»Nun ja, ich bin wohl nicht der richtige Zeuge für sie, weil ich erst spät zurückkam. Die jungen Leute hatten gefeiert. Sie waren leicht angetrunken. Ich schickte sie auf ihre Zimmer.« Er legte eine Pause ein, und ich fragte: »Mehr geschah nicht?«
»Im Prinzip nicht. Das heißt, zuvor verschwanden Jens Andersen und Sally. Die anderen waren noch im Garten geblieben. Sally üble. Man hörte ihr Harfenspiel.«
»In der Nacht.«
»Genau.«
»Und weiter?« Ich war plötzlich wie elektrisiert, dachte daran, das Ende des roten Fadens in der Hand zu halten, ohne ihn jedoch aufrollen zu können. Etwas lief noch falsch herum.
»Nichts weiter. Sie spielte ungefähr zehn Minuten, dann sind auch die anderen zu Bett gegangen.«
»Jens Andersen befand sich oben.«
»So ist es. Es geht das Gerücht um, daß er etwas von Sally Saler wollte, sie aber nichts von ihm. Nun ja, mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen. Heule morgen fehlte er dann.«
»Haben Sie nach ihm gesucht?«
»Nicht direkt. Wir haben gerufen, doch er meldete sich nicht. Ich kenne den Grund nicht. Allerdings habe ich schon daran gedacht, die Polizei einzuschalten.«
Flastig winkte ich ab. »Tun Sie das bitte nicht, Herr Dr. Kimmler.« Wir sprachen mal deutsch, dann wieder englisch. »Ich möchte Sie noch bitten, eine Nacht abzuwarten. Zudem bin ich von der Polizei. Zwar nicht von der deutschen, aber ich bin nicht ohne Grund hergekommen.«
»Wenn Sie meinen.« Er stand wieder auf und reckte sich. »Glauben Sie denn, daß Sally Saler und ihre Harfe etwas mit dem Verschwinden des jungen Dänen zu tun haben?«
»Das ist möglich.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Für mich ist die Harfe ein sehr gefährliches Instrument. Ich habe den Eindruck, als würde einiges nicht mit ihr stimmen. Als ich sie vorhin anzupfte, da verbrannte ich mir die Fingerkuppen. So jedenfalls kam es mir vor.«
»Ich habe noch nie auf ihr gespielt.«
»Das ist vielleicht gut so.«
»Was schlagen Sie denn jetzt vor?«
»Ganz einfach. Sie halten die Proben ab wie besprochen. Ich werde mich in der Zwischenzeit in der Umgebung umschauen und auch in der Nacht hier sein.«
»Sie rechnen also damit, daß etwas passiert,«
»Natürlich. Allerdings nehme ich an, daß Sally Saler weiß, wer da gekommen ist. Sie hat mich instinktiv als ihren gefährlichen Feind eingeschätzt. Ich bin davon überzeugt, daß sich ihre Aktivitäten auf mich konzentrieren werden. Wenn sie ihren Plan umsetzen will, muß sie mich aus dem Weg haben.«
»Von welch einem Plan reden Sie?«
Ich lachte hart. »Das möchte ich auch gern wissen. Ich weiß nur, daß einer existiert. Einzelheiten sind mir leider nicht bekannt. Aber die werde ich noch herausfinden, verlassen Sie sich darauf. Ansonsten versuchen Sie, weiterzumachen, als wäre nichts geschehen.«
»Das wird nicht einfach sein.«
»Ich weiß.«
Nach dieser Antwort verließ ich das Haus an der Rückseite, schaute noch einmal an der Fassade hoch und sah im offenen Rechteck eines Fensters die Gestalt der Sally Saler.
Selbst aus dieser Distanz spürte ich den Haß, der mir entgegenstrahlte…
***
Ich hatte mich in den folgenden beiden Stunden auf dem Gelände aufgehalten und umgeschaut.
Ein völlig normaler Tag lief ab. Die Besucherzahl hielt sich in Grenzen. Sogar in einem der beiden Restaurants konnte ich mir den Platz aussuchen, trank eine Kanne Kaffee und aß dabei einen mit Pilzen gefüllten Pfannkuchen.
Was würde Sally Saler unternehmen? Wie würde sie reagieren? Ich war davon überzeugt, daß sie genau gespürt hatte, wer ihr eigentlicher Feind war. Sie würde versuchen, mich aus dem Weg zu räumen, wie sie ihre Mutter und wahrscheinlich auch Jens Andersen aus dem Weg geräumt hatte.
Mittelpunkt war dabei die Harfe.
Ihr Spiel mußte etwas zu bedeuten haben. Mir wollten die Worte des Dr. Kimmler nicht aus dem Kopf, der berichtet hatte, daß Sally kurz vor dem Schlafengehen noch Harfe gespielt hatte.
Für wen?
Bestimmt nicht, um sich zu erbauen. Da steckte bestimmt ein teuflischer Plan dahinter.
Ich winkte der Bedienung zu und zahlte die Rechnung. Dann verließ ich das Lokal. Auch draußen konnte man sitzen. Eine Schulklasse hockte zusammen.
Der Wald lag ganz in der Nähe. Ich konnte zwischen mehreren Wegen aussuchen und entschied mich dafür, nicht wieder
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