Der Angstmacher
Schritt auf ihn zu. »Du hast mir nachspioniert, Junge!«
»Ja, verdammt, ja.«
»Und weshalb?«
»Ich mag dich eben. Ich wollte nicht, daß du mit dem Danen, der viel getrunken hat…«
»Und wenn er getrunken hat. Wäre das nicht meine Sache gewesen, was ich mit ihm angestellt hätte?«
»Im Prinzip hast du recht.« Dubois hob verlegen die Schultern. »Ja, du hast recht«, wiederholte er. »Nur habe ich mir eben Sorgen um dich gemacht, weil ich mich in dich verliebt habe.«
»Ach, wie schön.«
»Glaubst du mir nicht?«
Sie streckte den Arm aus und tätschelte seine Wange. »Natürlich glaube ich dir, mein Junge. Aber so etwas sollte zumeist auf Gegenseitigkeit beruhen. Findest du nicht auch?«
Er nickte.
»Und was die Sache mil Jens angeht, su ist zwischen uns nichts passiert. Ich bin in mein Zimmer gegangen und habe Harfe gespielt, was ihr ja gehört habt. Anschließend wollte ich noch ein wenig durch die frische Luft gehen. Das hast du ja auch gesehen — oder?« Sally hatte die letzten Worte mit einem lauernden Unterton gesprochen.
»Sicher, Sally. Ich… ich ging dir ja nach. Es war reiner Zufall. Ich wollte nicht so recht, aber als ich dich verschwinden sah, da überkam es mich einfach.«
»Schon gut, Gérard. Jetzt ist die Sache für uns beide erledigt. Noch eine Frage. Bist du mir sofort nachgelaufen?«
»Nein, eigentlich nicht. Ich habe mich nur darüber gewundert, daß du so komisch gegangen bist.«
»Wie meinst du?«
»Ja, so komisch, als würdest du hinken.«
Sally lachte falsch. »Da hast du dich bestimmt getäuscht. Außerdem darfst du nicht vergessen, daß es die Nebelfahnen sind, die manche Bilder verzerren.«
Dubois nickte. »Warst du eigentlich in einem der Häuser?«
Sally antwortete mit einer aggressiv klingenden Gegenfrage. »Wie kommst du denn darauf?«
»Ich glaube, ich habe dich aus einem Haus kommen sehen.«
»Quatsch. Auch da hast du dich getäuscht. Ich bin nur um ein Haus herumgegangen. Was sollte ich denn mitten in der Nacht in diesen alten Buden? Kannst du mir das sagen?«
»Ich… ich wunderte mich ja selbst.«
»Schon gut, Junge.« Sie lächelte. »Es wird am besten sein, wenn wir uns beide aufs Ohr legen.«
»Ja, okay. Und das mit dem Nachschleichen, Sally, das war wirklich nicht so.«
»Ich glaube es dir.«
Sie und Gérard gingen den Weg zum Haus gemeinsam zurück. Er blieb jetzt an ihrer Seite, wollte sie immer ansprechen, nur fand er nicht die richtigen Worte. Gérard war froh, wenn er sie beim Gehen hin und wieder berühren konnte.
Vor dem Haus hauchte sie ihm noch einen Kuß auf die Wange und streichelte danach mit ihren Lippen seinen Mund, was Gérard glücklich und auch mutig machte.
Bevor er das Mädchen jedoch umfassen konnte, hatte sich Sally weggedreht und war im Haus verschwunden. Leise lachend lief sie die Treppe hoch, huschte in ihr Zimmer und ließ sich aufatmend in einen Stuhl fallen.
Dieser Kelch war noch einmal an ihr vorübergegangen, und es war verflixt knapp gewesen.
Sie schaute auf die Harfe, sah die Saiten, die wieder grünlich phosphoreszierten.
Zwischen und auch über ihnen sah sie die Züge des Gesichts. Wenn sie sich nicht täuschte, zeigte es diesmal einen zufriedenen Ausdruck…
***
Ich war glatt, sicher und auch ohne Verspätung in Köln/Bonn gelandet, was ja nicht mehr normal war, denn Verspätungen im Luftverkehr gehörten seit einiger Zeit zur Tagesordnung, so daß viele geschäftliche Termine platzten.
Der telefonisch bestellte Leihwagen stand bereit. Es war ein blauer Golf, mit dem ich am Flughafen auf die Autobahn ging. Anhand der im Handschuhfach liegenden Karte hatte ich mich zuvor informiert, wie ich zu fahren hatte.
Mein Ziel lag südlich der Stadt Euskirchen. Genau dort, wo die Berge der Fifel begannen. Ich fuhr in Richtung Bonn, überquerte dort den Rhein und nahm dann die gut ausgebaute Landstraße bis Euskirchen. Der Golf rollte in den späten Vormittag hinein und in ein Wetter, das sommerlich warm war.
Bei meinem Abflug in London hatte es genieselt, jetzt konnte ich mich über den Sonnenschein freuen.
In Euskirchen verfuhr ich mich nicht, denn die Strecke nach Kommern war gut beschildert. Auch der Hinweis auf das Freilichtmuseum war nicht zu übersehen.
Das klare Wetter erlaubte mir einen weiten Blick. Und der fiel auf die Eifel. Die hügelige, wiesen-und waldreiche Landschaft mit ihren kleinen eingebetteten Orten lag vor mir, als hätte sie jemand auf eine gewaltige Leinwand gemalt.
In sie hinein
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