Der Anruf kam nach Mitternacht
regungslos, und Sarah wurde immer nervöser.
»Ich muss Simon finden. Wo ist er?«
Die Frau schwieg einen weiteren Moment. »Vielleicht möchte Simon sich nicht finden lassen«, antwortete sie dann leise.
»Bitte! Es ist wichtig.«
Die Frau zuckte die Schultern. »Bei Simon ist alles wichtig.«
»Ist er in der Stadt?«
»Vielleicht.«
»Er wird mich sehen wollen.«
»Warum?«
»Ich bin seine Frau, Sarah.«
Plötzlich wirkte die Frau irritiert. Nervös spielte sie mit einem Bierdeckel, während sie Sarah aufmerksam musterte. »Lassen Sie mir Ihren Ehering hier«, sagte sie dann. »Und kommen Sie um Mitternacht wieder.«
»Wird er dann hier sein?«
»Simon ist ein vorsichtiger Mann. Er will einen Beweis haben, ehe er sich mit Ihnen trifft.«
Sarah zog den Ring vom Finger und gab ihn der Frau. Ihre Hand kam ihr ohne den Ring nackt vor. »Ich werde um Mitternacht wieder hier sein«, versprach sie.
»Madame!«, rief die Frau hinter ihr her, als Sarah sich zum Gehen gewandt hatte. »Machen Sie sich keine großen Hoffnungen. Ich kann Ihnen nichts garantieren!«
Sarah nickte. »Ich weiß.« Die Warnung der Frau war unnötig gewesen. Sarah hatte längst begriffen, dass nichts mehr selbstverständlich war … nicht einmal ihr nächster Herzschlag.
Corrie wartete nur einen Moment, nachdem Sarah das Lokal verlassen hatte. Dann rief sie eine ältere Frau aus der Küche hinter der Theke heraus, erklärte ihr, sie würde gleich wieder da sein, und verließ ebenfalls die Kneipe. Sie ging zur nächsten Häuserecke, betrat eine Telefonzelle und wählte eine Amsterdamer Nummer. Sofort nahm jemand den Hörer ab.
»Die Frau, derentwegen Helga hier angerufen hat, war eben bei mir«, berichtete sie. »Langes Haar, braune Augen, Anfang dreißig. Ich habe ihren Ehering. Gold, die Inschrift lautet: Geoffrey 14. 2. Sie kommt um Mitternacht wieder.«
»Ist sie allein?«
»Ich habe sonst niemanden gesehen.«
»Und dieser Mann, den Helga auch erwähnte – dieser O’Hara –, was haben deine Freunde über ihn herausbekommen?«
»Er ist nicht beim CIA. Er scheint bei der Sache nur persönlich engagiert zu sein.«
Eine Pause trat ein. Dann hörte Corrie sorgfältig auf die Instruktionen, die ihr gegeben wurden. Schließlich legte sie auf und ging in die Casa Morro zurück, wo sie den Ehering in eine kleine, auf dem Fensterbrett stehende Schale direkt neben der Eingangstür legte. Dort konnte man ihn gut von draußen sehen.
»Von Sarah keine Spur«, stellte Potter fest, als er das Zimmer von Nicks Hotel in Amsterdam betrat. Nick stand gedankenverloren am Fenster und blickte auf das endlose Lichtermeer. »Irgendwo dort unten ist sie. Wenn ich nur wüsste, wo …«
Potter zündete sich eine Zigarette an und ging durch das Zimmer zu dem Tisch, auf dem ein Aschenbecher stand. Er war jetzt sechzehn Stunden auf den Beinen und fing an, etwas mitgenommen auszusehen. Sein Anzug war zerknittert, und sein Gesicht war noch fahler als sonst. Wenn ihn jedoch die letzten Ereignisse entmutigt hatten, so zeigte er es nicht.
»Lieber Himmel, O’Hara«, meinte er seufzend, »kommen Sie zu sich! Es ist unser Job, sie zu finden.«
Nick schwieg.
»Sie trauen uns noch immer nicht«, meinte Potter.
»Nein. Warum sollte ich?«
Potter setzte sich und blies den Rauch vor sich hin. »Irgendetwas stört Sie immer, nicht wahr?« Er lachte auf. »Aber wenigstens erledigen wir unsere Arbeit. Es könnte Sie beispielsweise interessieren, dass ich gerade mit Berlin telefoniert habe. Es liegen Informationen über die beiden Toten vor.«
»Wer waren sie?«
»Der Fahrer des Citroën war ein Deutscher, der früher Verbindung zum holländischen Geheimdienst hatte und jetzt mit dieser Helga zusammenarbeitet.«
»Und der Killer?«
Potter lehnte sich zurück und ließ Rauchkringel aufsteigen. »Das war ein Holländer.«
»Irgendwelche Querverbindungen zu Helga?«
»Nein. Offensichtlich erledigte er nur seinen Auftrag. Aber sie hat ihn vorher erwischt.«
»Über den Mann lag gar nichts vor?«
»Nichts. Aus seinen Papieren ging hervor, dass er als Vertreter für eine hier in Amsterdam ansässige Firma arbeitete und viel auf Reisen war. Aber ein Punkt ist dennoch höchst interessant. Das könnte genau der Fehler sein, auf den wir so lange gewartet haben. Vor zwei Tagen wurde eine große Geldsumme auf das Konto des Mannes überwiesen. Eine beträchtliche Summe sogar. Wir haben als Absender eine andere Firma, ebenfalls hier in Amsterdam, ausfindig gemacht.
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