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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sind?«
    Ich sagte nichts, aber das war manchmal Antwort genug.
    »Na, schon gut. Das geht nur euch beide was an. Mir ist jetzt warm, also geh ich zurück. Wenn’s morgn auch so kalt und regnerisch wird, weiß ich nich, was wir mit Harry hintn auf Mas Truck machn solln.« Sie sah zu mir auf und lächelte. »Als kleines Mädchen hab ich mir eingebildet, ich würd mal wie Kim Novak werdn. Und jetzt glaubt Rosette, sie könnt Darlene bei den Mausketieren ablösen. Hidey-fuckin-ho!«
    Als sie Anstalten machte, die Tür zu öffnen, sagte ich eilig: »Warten Sie.«
    Ich holte den Scheiß aus meinen Taschen – Life Savers, Kleenex, ein Streichholzbriefchen, das Sadie hineingesteckt hatte, Notizen für einen Englischtest, den ich vor Weihnachten in der neunten Klasse schreiben lassen wollte – und hielt ihr die Rancherjacke hin. »Hier, nehmen Sie die.«
    »Ich nehm Ihre gottverdammte Jacke nich!« Sie war sichtlich entsetzt.
    »Ich habe zu Hause noch eine.« Das stimmte zwar nicht, aber ich konnte mir eine kaufen, was auf sie bestimmt nicht zutraf.
    »Was soll ich Harry erzählen? Dass ich sie unter ’nem gottverdammten Kohlblatt gefundn hab?«
    Ich grinste. »Erzählen Sie ihm, dass Sie für Geld mit dem Postboten gebumst und sich davon die Jacke gekauft haben. Was kann er schon machen – Sie die Einfahrt runterjagen und dann verprügeln?«
    Sie lachte, ein hartes Regenvogelkrächzen, das eigenartig reizvoll war. Und nahm die Jacke.
    »Grüße an Rosette«, sagte ich. »Sagen Sie ihr, dass ich sie in meinen Träumen sehe.«
    Ihr Lächeln verschwand. »Hoffentlich nich, Mister. Der Traum, den sie von Ihnen gehabt hat, war ’n Albtraum. Sie hat geschrien, als sollt das Haus zusammenfalln. Hat mich um zwei morgens aus’m tiefstn Schlaf gerissen. Sie hat gesagt, dass der Mann, der ihrn Ball gefang hat, hintn in seim Wagen ein Ungeheuer sitzn hat, das sie fressen wollte. Hat mich verdammt erschreckt, als sie so gekreischt hat, das könn Se mir glaubn.«
    »Hatte das Ungeheuer einen Namen?« Natürlich hatte es einen.
    »Sie hat gesagt, es wär ein Jimla gewesen. Ich glaub, sie hat ’nen Dschinn gemeint – wie in der Story von Aladin und den Sieben Schleiern. Aber ich muss jetzt gehn. Passn Se gut auf sich auf, Mister.«
    »Und Sie auf sich, Ivy. Frohe Weihnachten.«
    Sie krächzte wieder ihr Regenvogellachen. »Das hätt ich fast vergessn. Danke, gleichfalls. Vergessn Se nich, Ihrm Mädchen ein Geschenk zu kaufn.«
    Sie trottete mit meiner Jacke – jetzt ihrer Jacke – über den Schultern zu ihrem alten Wagen zurück. Ich sah sie nie wieder.
    17
    Der Regen gefror nur auf Brücken, und aus meinem anderen Leben – dem in Neuengland – wusste ich ohnehin, dass man dort vorsichtig sein musste, aber die Rückfahrt nach Jodie war trotzdem lang. Ich hatte eben erst Wasser für einen Tee aufgesetzt, als das Telefon klingelte. Diesmal war es Sadie.
    »Ich versuche seit dem Abendessen, dich zu erreichen, um dich wegen Coach Bormans Fete an Heiligabend zu fragen. Sie fängt um drei Uhr an. Ich würde hingehen, wenn du mich mitnehmen magst, und wir könnten uns vielleicht früher wieder abseilen. Sagen, dass wir einen Tisch im Restaurant reserviert haben oder so was. Ich müsste allerdings bald antworten.«
    Ich sah meine eigene Einladung neben der Schreibmaschine liegen und spürte leichte Gewissensbisse. Sie war vor drei Tagen gekommen, und ich hatte noch nicht einmal den Umschlag aufgerissen.
    »Möchtest du hingehen?«, fragte ich.
    »Mir würd’s nichts ausmachen, mich wenigstens sehen zu lassen.« Eine kurze Pause. »Sag mal, wo bist du eigentlich die ganze Zeit gewesen?«
    »Fort Worth.« Fast hätte ich hinzugefügt: Weihnachtseinkäufe machen. Aber ich ließ es bleiben. In Fort Worth hatte ich nur ein paar Informationen gekauft. Und einen Hausschlüssel.
    »Warst du einkaufen?«
    Wieder musste ich darum kämpfen, nicht zu lügen. »Ich … Sadie, ich kann’s dir wirklich nicht sagen.«
    Nun folgte eine lange, lange Pause. Ich merkte, dass ich mir wünschte, ich wäre Raucher. Wahrscheinlich war ich durchs Passivrauchen süchtig geworden. Schließlich war es einiges, was ich tagtäglich mittelbar inhalierte. Im Lehrerzimmer herrschte ständig blauer Dunst.
    »Ist es eine Frau, George? Eine andere Frau? Oder findest du mich zu neugierig?«
    Na ja, es gab da Ivy, aber die war nicht die Art Frau, die Sadie meinte.
    »Was Frauen betrifft, da gibt es nur dich.«
    Wieder eine dieser langen, langen Pause. Im Alltag bewegte

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