Der Anschlag - King, S: Anschlag
Sadie sich oft sorglos; in Gedanken tat sie das nie. Schließlich sagte sie: »Du weißt viel über mich, auch Dinge, von denen ich nie geglaubt hätte, dass ich sie je jemand erzählen würde, aber ich weiß fast nichts über dich. Das ist mir eben irgendwie bewusst geworden. Sadie kann ganz schön dumm sein, George, nicht wahr?«
»Du bist nicht dumm. Und ganz sicher weißt du, dass ich dich liebe.«
»Ja …« Sie klang zweifelnd. Ich musste an den schlechten Traum denken, den ich in den Candlewood Bungalows gehabt hatte, und ihren skeptischen Gesichtsausdruck, als ich behauptet hatte, mich nicht an ihn erinnern zu können. War ihr Gesichtsausdruck jetzt ähnlich? Oder ging er über bloße Skepsis hinaus?
»Sadie? Ist alles in Ordnung mit uns?«
»Ja.« Sie klang wieder etwas sicherer. »Klar doch. Bis auf die Sache mit Coachs Fete. Was möchtest du tun? Denk daran, dass sich alle Kollegen dort aufhalten und die meisten schon ziemlich blau sein werden, wenn Mrs. Coach das Büfett eröffnet.«
»Komm, wir gehen hin«, sagte ich vielleicht etwas zu ausgelassen. »Wir machen ordentlich einen drauf.«
»Wir machen was? «
»Wir amüsieren uns. Mehr sollte das nicht heißen. Wir kreuzen für eine Stunde, vielleicht auch anderthalb, auf und verdrücken uns dann wieder. Abendessen im Saddle. Einverstanden?«
»Schön.« Wir glichen einem Paar, das wegen eines zweiten Dates verhandelte, nachdem das erste nicht eindeutig verlaufen war. »Wir werden uns amüsieren.«
Ich dachte daran, wie Ivy Templeton einen Hauch von Sadies Parfüm gerochen und gefragt hatte, ob meine Freundin wisse, dass ich nach Einbruch der Dunkelheit im Süden von Fort Worth in komischen Geschäften unterwegs sei. Ich dachte daran, dass Deke Simmons gesagt hatte, es gebe einen Menschen, der Anspruch darauf habe, die Wahrheit darüber zu erfahren, wo ich gewesen sei und was ich getan hätte. Aber sollte ich Sadie erzählen, dass ich Frank Dunning kaltblütig erschossen hatte, damit er seine Frau und seine vier Kinder nicht ermorden konnte? Dass ich nach Texas gekommen war, um ein Attentat zu verhindern und so den Lauf der Geschichte zu ändern? Dass ich wusste, dass ich das können würde, weil ich aus einer Zukunft kam, in der wir dieses Gespräch per Instant Messenger am Computer hätten führen können?
»Sadie, es gibt keinen Grund zur Sorge. Ich versprech’s dir.«
»Schön«, sagte sie noch einmal. Dann sagte sie: »Wir sehen uns morgen in der Schule, George.« Und legte ganz sanft und höflich auf.
Ich hielt den Telefonhörer noch einige Sekunden lang in der Hand und starrte geradeaus ins Leere, dann legte ich ebenfalls auf. An meinen Fenstern zum Garten hinaus war leises Prasseln zuhören. Der Regen war schließlich doch zu Schneeregen geworden.
Kapitel 16
KAPITEL 16
1
Coach Bormans Fete am frühen Heiligabend war ein Reinfall, und das lag nicht nur an Vince Knowles’ Geist. Am 21. Dezember hatte Bobbi Jill Allnut es sattgehabt, die klaffende Wunde zu sehen, die sich über ihre linke Gesichtshälfte bis hinunter zum Unterkiefer zog, und eine Handvoll von den Schlaftabletten ihrer Mutter geschluckt. Sie starb zwar nicht daran, verbrachte aber zwei Nächte im Parkland Memorial, dem Krankenhaus, in dem der Präsident und sein Attentäter sterben würden, wenn ich das nicht änderte. Im Jahr 2011 gab es vermutlich näher gelegene Krankenhäuser – ziemlich sicher in Kileen, vielleicht sogar in Round Hill –, aber nicht in diesem Jahr, in dem ich Vollzeitlehrer an der DCHS war.
Das Abendessen im Saddle war auch nicht so toll. Der Raum war voller Gäste in fröhlich geselliger Weihnachtsstimmung, aber Sadie mochte kein Dessert und wollte früh nach Hause gebracht werden. Sie hatte angeblich Kopfschmerzen. Ich glaubte ihr nicht.
Der Silvestertanz in der Bountiful Grange No. 7 war etwas besser. Aus Austin war eine Band gekommen, die sich The Jokers nannte und tatsächlich für Stimmung sorgte. Sadie und ich tanzten unter prall mit Ballons gefüllten Netzen, bis uns die Füße wehtaten. Um Mitternacht stimmten die Jokers »Auld Lang Syne« im Stil der Ventures an, und der Bandleader rief: »Alle Träume werden wahr – das wünsch ich euch fürs neue Jahr! «
Um uns herum schwebten die Ballons herab. Während wir Walzer tanzten, küsste ich Sadie und wünschte ihr ein glückliches neues Jahr, aber obwohl sie den ganzen Abend lang fröhlich gewesen war und gelacht hatte, spürte ich kein Lächeln auf ihren Lippen. »Auch dir ein
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