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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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1963 in Dallas überlebt. Das Land wäre nicht bereit gewesen, einen Kennedy durch einen anderen zu ersetzen.«
    »Das kannst du nicht mit Sicherheit sagen.«
    »Nein, aber hör zu. Nehmen wir mal an, es gelänge dir, John Kennedy das Leben zu retten … Glaubst du, dass sein Bruder Robert dann am 5. Juni 1968 um Viertel nach zwölf im Hotel Ambassador ist? Oder dass Sirhan Sirhan immer noch dort in der Küche arbeitet?«
    Schon möglich, aber die Wahrscheinlichkeit dafür war bestimmt äußerst gering. Wenn man in eine Gleichung eine Million Variablen einführte, musste das Ergebnis zwangsläufig anders ausfallen.
    »Oder was ist mit Martin Luther King? Hält er sich im April 1968 immer noch in Memphis auf? Und steht er im genau richtigen Augenblick auf dem Balkon des Motels Lorraine, damit James Earl Ray ihn erschießen kann? Was glaubst du?«
    »Falls die Schmetterlingstheorie zutrifft, wohl eher nicht.«
    »Das glaube ich auch. Und wenn MLK am Leben bleibt, fallen die Rassenunruhen nach seiner Ermordung vermutlich aus. Dann wäre vielleicht auch Fred Hampton nicht in Chicago erschossen worden.«
    »Wer?«
    Er ignorierte mich. »Dann gäbe es vielleicht auch keine Symbionese Liberation Army. Keine SLA , keine Patty-Hearst-Entführung. Dafür vielleicht aber aufseiten des weißen Mittelstands etwas weniger Angst vor Schwarzen.«
    »Langsam komme ich nicht mehr mit. Denk daran, dass mein Hauptfach Englisch war.«
    »Du kommst nicht mehr mit, weil du mehr über den Bürgerkrieg im 19. Jahrhundert weißt als über den zweiten Krieg, der Amerika nach der Ermordung Kennedys in Dallas zerrissen hat. Würde ich wissen wollen, wer die Hauptrolle in dem Film Die Reifeprüfung gespielt hat, könntest du’s mir bestimmt sagen. Aber wenn ich dich fragen würde, wen Lee Oswald nur wenige Monate vor seinem Anschlag auf Kennedy erschießen wollte, würdest du nur ›Hä?‹ sagen. Weil all dieses Wissen irgendwie untergegangen ist.«
    »Oswald wollte schon vor Kennedy jemand ermorden?« Das war mir allerdings neu, aber was ich über das Attentat auf Kennedy wusste, stammte größtenteils aus einem Film von Oliver Stone. Al ging jedoch nicht darauf ein, Al war groß in Fahrt.
    »Oder was ist mit Vietnam? Johnson war der Kerl, der die ganze irrsinnige Eskalation in Gang gesetzt hat. Kennedy war ohne Zweifel ein Kalter Krieger, aber Johnson hat den Konflikt auf die nächsthöhere Ebene gehoben. Er hatte denselben Meiner-ist-größer-Komplex, den Bush junior an den Tag gelegt hat, als er sich vor den Kameras aufbaute und sagte: ›Nur her damit!‹ Kennedy hätte sich die Sache vielleicht anders überlegt. Dazu waren Johnson und Nixon nicht imstande. Ihnen haben wir’s zu verdanken, dass in Vietnam fast sechzigtausend G.I.s gefallen sind. Die Vietnamesen im Norden und Süden haben Millionen Menschen verloren. Wäre die Schlachtbilanz auch so hoch, wenn Kennedy seinen Besuch in Dallas überlebt hätte?«
    »Das weiß ich nicht. Und du weißt es auch nicht, Al.«
    »Richtig, aber ich habe mich ziemlich ausführlich mit der neueren Geschichte Amerikas beschäftigt und glaube, dass die Chancen auf bessere Zeiten im Fall seiner Rettung recht hoch wären. Und die Sache hat eigentlich keine Nachteile. Sollten sich die Dinge beschissen entwickeln, machst du einfach alles rückgängig. Das ist so einfach, wie ein unanständiges Wort von einer Schultafel zu wischen.«
    »Oder ich kann nicht wieder hin, um das Ergebnis zu kontrollieren.«
    »Unsinn. Du bist jung. Solange du nicht von einem Taxi überfahren wirst oder einem Herzschlag erliegst, lebst du lange genug, um zu erfahren, wie alles ausgegangen ist.«
    Ich saß schweigend da, starrte in meinen Schoß und überlegte. Al ließ mir Zeit. Schließlich hob ich den Kopf wieder.
    »Du scheinst viel über Oswald und das Attentat gelesen zu haben.«
    »Alles, was ich mir beschaffen konnte, Kumpel.«
    »Wie sicher weißt du, dass er es war? Schließlich gibt es ungefähr tausend Verschwörungstheorien. Das weiß sogar ich. Was wäre, wenn ich zurückgehen und ihn stoppen würde, und dann knallt irgendein anderer Kerl JFK vom Grassy Hill aus ab – oder von wo aus das war?«
    »Grassy Knoll. Und ich bin mir fast hundertprozentig sicher, dass es Oswald war. Die meisten Verschwörungstheorien waren von Anfang an ziemlich verrückt, und fast alle sind im Lauf der Jahre widerlegt worden. Zum Beispiel die Idee, der Schütze wäre nicht Oswald, sondern jemand gewesen, der ihm sehr ähnlich sah. Sein

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