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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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weggestoßen und gesagt: ›Idi, suka!‹ Geh, Schlampe. Das hat sie dann auch getan. Sie ist in Richtung Bushaltestelle weitergegangen. Und das war’s dann.«
    »Du kannst russisch sprechen?«
    »Nein, aber ich habe ein gutes Gehör und einen Computer. Zu mindest hier habe ich einen.«
    »Du hast ihn mehrmals gesehen?«
    »Nur aus der Entfernung. Inzwischen war ich richtig krank geworden.« Er grinste. »In ganz Texas gibt’s kein besseres Barbecue als in Fort Worth, und ich konnt es nicht mehr essen. Das Leben kann grausam sein. Ich bin zum Arzt gegangen, erhielt eine Diagnose, die ich inzwischen selbst hätte stellen können, und bin ins 21. Jahrhundert zurückgekehrt. Im Prinzip gab es dort ohnehin nichts mehr zu sehen. Nur einen mageren kleinen Kerl, der seine Frau schlecht behandelt und darauf wartet, berühmt zu werden.«
    Er beugte sich nach vorn.
    »Weißt du, wie der Mann war, der die amerikanische Geschichte geändert hat? Er war der Typ Junge, der andere Kinder mit Steinen bewirft und dann wegrennt. Als er zu den Marines gegangen ist – um wie sein Bruder Bobby zu sein, den er vergöttert hat –, hatte er an fast zwei Dutzend Orten von New Orleans bis New York gewohnt. Er hatte große Ideen und konnte nicht verstehen, warum niemand sie sich anhören wollte. Das hat ihn geärgert – wütend gemacht –, aber sein falsches Duckmäuserlächeln hat er nie abgelegt. Weißt du, wie William Manchester ihn genannt hat?«
    »Nein.« Ich wusste nicht mal, wer William Manchester war.
    »Ein erbärmliches verwahrlostes Kind. Manchester hat von all den Verschwörungstheorien gesprochen, die nach dem Attentat Hochkonjunktur hatten … und nachdem Oswald selbst erschossen worden war. Ich meine, darüber weißt du doch Bescheid, oder?«
    »Natürlich«, sagte ich leicht ärgerlich. »Von einem Kerl namens Jack Ruby.« Aber angesichts meiner schon demonstrierten Wissenslücken war er vermutlich berechtigt, das zu fragen.
    »Manchester hat gesagt, wenn man den ermordeten Präsidenten in eine Waagschale stellen würde und Oswald – das verwahrloste Kind – in die andere, wäre die Waage nicht im Gleichgewicht. Unter keinen Umständen. Wollte man Kennedys Tod etwas Bedeutung verleihen, müsste man etwas Gewichtigeres hinzufügen. Was die Vielzahl von Verschwörungstheorien erklärt. Zum Beispiel sollte die Mafia dahinterstecken – Carlos Marcello den Anschlag angeordnet haben. Oder der KGB . Oder Castro, um sich an der CIA zu rächen, die versucht hatte, ihm vergiftete Zigarren unterzuschieben. Und bis heute glauben manche Leute, Lyndon B. Johnson hätte JFK ermorden lassen, um selbst Chancen auf das Präsidentenamt zu haben. Aber letzten Endes …« Al schüttelte den Kopf. »Letztlich war’s mit ziemlicher Sicherheit Oswald. Schon mal was von Ockams Rasiermesser gehört?«
    Es war nett, einmal etwas genau zu wissen. »Das ist eine auch als Ökonomieprinzip bekannte Binsenweisheit. ›Unter sonst gleichen Voraussetzungen ist meist die einfachste Erklärung richtig.‹ Warum hast du ihn also nicht umgebracht, als er nicht mit Frau und Kind auf der Straße unterwegs war? Du warst mal bei den Marines, oder? Warum hast du den arroganten kleinen Scheißer nicht selbst umgelegt, sobald du wusstest, dass du todkrank bist?«
    »Weil fünfundneunzig Prozent Sicherheit nicht hundert sind. Weil er – Scheißkerl hin oder her – Familienvater war. Weil Oswald nach seiner Festnahme behauptet hat, er sei nur ein Sündenbock – und ich erst sichergehen wollte, dass das gelogen war. Ich glaube nicht, dass es in unserer schlechten Welt hundertprozentige Sicherheit geben kann, aber ich wollte auf achtundneunzig Prozent kommen. Allerdings hatte ich nicht vor, bis zum 22. November zu warten und ihn dann in dem texanischen Schul buchlager zu stoppen – aus einem wichtigen Grund, den ich dir gleich erklären werde, wäre das viel zu knapp gewesen.«
    Seine Augen glänzten nicht mehr so hell, und die Falten in seinem Gesicht schienen wieder tiefer zu werden. Mich erschreckte, wie wenig Kraftreserven er noch besaß.
    »Dieses ganze Zeug habe ich aufgeschrieben. Ich möchte, dass du meine Notizen liest. Ich will sogar, dass du sie wie der letzte Blödmann auswendig lernst. Sieh mal auf dem Fernseher nach, Kumpel. Tust du mir den Gefallen?« Müde lächelnd fügte er hinzu: »Ich komme so schlecht aus dem Sessel hoch.«
    Dort lag ein dickes, blaues Notizbuch mit Spiralbindung. Dem Preisschild nach hatte es 25 Cent gekostet. Die Marke

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