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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ich nicht mehr, aber er kann mich nicht aufhalten, weil ich nicht hierhergehöre.«
    Nur wurde ich in Wirklichkeit von ihm aufgehalten. Oder von sonst jemand. Nach Ansicht von Dr. Perry war mein Gedächtnisverlust nur oberflächlich und vorübergehend, und damit behielt er recht … aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Wenn ich mich allzu intensiv an etwas zu erinnern versuchte, bekam ich sofort starke Kopfschmerzen, mein Hinken wurde zu einem Stolpern, und vor meinen Augen verschwamm alles. Am schlimmsten war, dass ich unter anfallartigem Schlafdrang litt. Sadie fragte Dr. Perry, ob das Narkolepsie sei. Wahrscheinlich nicht, sagte er, aber ich fand, dass er dabei besorgt aussah.
    »Wacht er auf, wenn Sie ihn rufen oder schütteln?«
    »Immer«, sagte Sadie.
    »Passiert das eher, wenn er sich darüber ärgert, dass ihm irgendetwas nicht einfällt?«
    Sadie bestätigte, dass dem so sei.
    »Dann verschwindet das sicher genauso, wie seine Amnesie vers chwinden wird.«
    Schließlich – langsam, in kleinen Schritten – begann meine innere Welt wieder mit der Außenwelt zu verschmelzen. Ich war Jacob Epping, ich war von Beruf Lehrer, und ich war irgendwie als Zeitreisender unterwegs, um zu verhindern, dass President Kennedy ermordet wurde. Anfangs versuchte ich, diesen Gedanken von mir zu weisen, aber ich wusste zu viel über die Zukunft, und diese Dinge waren keine Visionen. Sie waren Erinnerungen. Die Rolling Stones, die Anhörungen im Amtsenthebungsverfahren gegen Clinton, das World Trade Center in Flammen. Christy, meine ruhelose und schwierige Exfrau.
    Eines Abends, als Sadie und ich uns eine Folge von Combat ansahen, fiel mir ein, was ich mit Frank Dunning gemacht hatte.
    »Sadie, bevor ich nach Texas gekommen bin, habe ich einen Mann ermordet. Auf einem Friedhof. Das musste ich tun. Sonst hätte er seine ganze Familie umgebracht.«
    Sie starrte mich mit großen Augen und offenem Mund an.
    »Stell den Fernseher ab«, sagte ich. »Der Kerl, der Sergeant Saunders spielt – ich kann mich nicht an seinen Namen erinnern –, wird vom Rotorblatt eines Hubschraubers geköpft. Bitte stell den Kasten ab, Sadie.«
    Sie tat es, dann kniete sie sich vor mich.
    »Wer wird Kennedy ermorden? Wo wird er sein, wenn er es tut?«
    Ich strengte mich wirklich an, und diesmal schlief ich dabei nicht ein, aber ich konnte mich nicht erinnern. Ich war aus Maine nach Florida umgezogen, daran erinnerte ich mich. Mit einem Ford Sunliner, einem großartigen Wagen. Von Florida aus war ich über New Orleans nach Texas gelangt. Ich erinnerte mich daran, wie ich im Autoradio »Earth Angel« gehört hatte, als ich die Staatsgrenze überquert hatte – mit siebzig Meilen in der Stunde auf dem Highway 20. Ich erinnerte mich an ein Schild: TEXAS HEISST SIE WILLKOMMEN. Und eine Werbetafel mit der Aufschrift SONNY’S BARBECUE, 27 MEILEN. Danach eine Lücke im Film. Dann folgten allmählich mehr Erinnerungen an die Zeit, in der ich in Jodie gelebt und unterrichtet hatte. Schönere Erinnerungen daran, wie ich mit Sadie Swing tanzte und in den Candlewood Bungalows mit ihr im Bett lag. Sadie erzählte mir, dass ich auch in Fort Worth und Dallas gelebt hätte, aber sie wisse nicht, wo; sie hatte nur zwei Telefonnummern, unter denen sich aber niemand meldete. Auch ich wusste nicht mehr, wo ich gewohnt hatte, obwohl ich glaubte, eine Adresse könnte in der Cadillac Street gewesen sein. Sadie sah auf den Stadtplänen nach und sagte, in keiner der beiden Städte gebe es eine Cadillac Street.
    Ich konnte mich jetzt an vieles erinnern, nur nicht an den Namen des Attentäters oder daran, wo er sein würde, wenn er den Anschlag verübte. Und weshalb nicht? Weil die Vergangenheit mir das vorenthielt. Die unerbittliche Vergangenheit.
    »Der Attentäter hat eine kleine Tochter«, sagte ich. »Sie heißt April, glaube ich.«
    »Jake, ich muss dich etwas fragen. Vielleicht macht es dich wütend, aber weil so viel davon abhängt – deiner Aussage nach das Schicksal der Welt –, muss ich es tun.«
    »Frag nur.« Ich konnte mir keine Frage vorstellen, die mich hätte wütend machen können.
    »Belügst du mich?«
    »Nein«, sagte ich. Das war die Wahrheit. Damals.
    »Ich habe Deke gesagt, dass wir die Polizei alarmieren müssen. Er hat mir einen Artikel in der Morning News gezeigt, in dem steht, dass es bereits zweihundert Morddrohungen und Hinweise auf potenzielle Attentäter gegeben hat. Er sagt, dass sowohl die Rechtsextremisten aus Dallas/Fort Worth als auch die

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