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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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mir etwas antun. Im Prinzip behandelten Perry und die anderen Ärzte (auch Ellerton kam regelmäßig vorbei, um nach meinen Fortschritten zu fragen) meine demolierte Birne wie einen Bombenblindgänger.
    Bis heute ist mir nicht ganz klar, was Hämatokrit- und Hämoglobinwerte sind, aber meine wurden wieder besser, worüber sich alle freuten. Drei Tage später wurde eine weitere Rückenmarkspunktion vorgenommen. Dabei wurden Spuren von altem Blut entdeckt, und in Rückenmarksflüssigkeit war alt besser als neu. Das alte Blut überzeugte die Ärzte davon, dass ich zwar ein schweres Hirntrauma erlitten hätte, sie aber keine Trepanation vornehmen müssten, die wegen all den Schlachten, die mein Körper an anderen Fronten führte, riskant gewesen wäre.
    Aber die Vergangenheit war unerbittlich und schützte sich vor Veränderungen. Fünf Tage nach meiner Einlieferung begann das Fleisch um die Operationswunde von der Milzresektion rot und warm zu werden. Am folgenden Tag ging die Wunde wieder auf, und ich bekam hohes Fieber. Mein Zustand, der nach der zweiten Entnahme von Rückenmarksflüssigkeit von kritisch auf ernst herabgestuft worden war, schnellte wieder auf kritisch hoch. Mei nem Krankenblatt nach war ich »laut Angabe von Dr. Perry sediert und neurologisch minimal reagierend«.
    Am 7. September wachte ich kurz auf. Zumindest wurde mir das später erzählt. An meinem Bett saßen eine Frau, die trotz ihres vernarbten Gesichts hübsch war, und ein alter Mann mit einem Cowboyhut auf dem Schoß.
    »Kennst du deinen Namen?«, fragte die Frau.
    »Puddentane«, sagte ich. »Fragen Sie mich noch mal, dann sage ich das Gleiche.«
    Mr. Jake George Puddentane Epping-Amberson lag sieben Wo chen lang im Parkland, bevor er in das Rehazentrum Eden Fallows – eine kleine Wohnsiedlung für kranke Menschen – im Norden von Dallas verlegt wurde. In diesen sieben Wochen bekam ich intravenös Antibiotika gegen die Infektion, die sich dort ein genistet hatte, wo meine Milz gewesen war. Die Armschiene wurde durch einen langen Gipsverband ersetzt, der bald ebenfalls mit Namen bedeckt war, die ich nicht kannte. Nicht lange vor der Verlegung in das Rehazentrum erhielt ich eine Beförderung in Form eines kurzen Armgipses. Etwa zur gleichen Zeit begann eine Krankengymnastin, mein Knie zu foltern, um ihm eine gewisse Beweglichkeit zurückzugeben. Ich soll viel geschrien haben, kann mich aber nicht daran erinnern.
    Malcolm Perry und das übrige Pflegepersonal im Parkland retteten mir das Leben, das steht für mich außer Zweifel. Zudem bekam ich von ihnen noch ein unabsichtliches und unwillkommenes Geschenk, das mir noch im Eden Fallows zu schaffen machte: eine sekundäre Infektion von den Antibiotika, mit denen ich vollgepumpt worden war, um die primäre zu bekämpfen. Ich habe vage Erinnerungen daran, dass ich mich oft übergeben musste und anscheinend ganze Tage auf der Bettpfanne verbrachte. Ich weiß noch, wie ich einmal dachte: Ich muss zu Mr. Keene im Derry Drugstore gehen. Ich brauche Pepto-Bismol. Aber wer war Mr. Keene – und wo lag Derry?
    Aus dem Krankenhaus wurde ich entlassen, als ich wieder normal essen konnte, aber im Eden Fallows dauerte es noch fast zwei Wochen, bis die Diarrhö aufhörte. Inzwischen war es fast Ende Oktober. Sadie (meist wusste ich ihren Namen; manchmal entfiel er mir auch wieder) brachte mir eine Halloweenlaterne mit. Diese Erinnerung ist sehr deutlich, denn ich brüllte sofort los, als ich die Kürbisfratze darauf sah. Es war das Geschrei eines Menschen, der etwas äußerst Wichtiges vergessen hatte.
    »Was ist?«, fragte sie mich. »Was hast du, Schatz? Was ist los? Geht’s um Kennedy? Irgendwas wegen Kennedy?«
    »Er erschlägt sie alle mit einem Hammer!«, schrie ich sie an. »An Halloween! Ich muss ihn aufhalten!«
    »Wen?« Der Schreck stand Sadie ins Gesicht geschrieben, als sie meine fuchtelnden Hände festhielt. »Aufhalten?«
    Aber ich konnte mich nicht erinnern und schlief darüber ein. Ich schlief überhaupt viel, was nicht nur an der langsam ausheilenden Kopfverletzung lag. Ich war erschöpft, irgendwie nur noch ein Schatten meines früheren Selbst. Am Tag des Überfalls hatte ich vierundachtzig Kilo gewogen. Als ich aus dem Krankenhaus ins Rehazentrum Eden Fallows überwiesen wurde, wog ich noch zweiundsechzig.
    Das war das äußere Leben von Jake Epping, einem Menschen, der brutal zusammengeschlagen worden und dann im Krankenhaus fast gestorben war. Mein inneres Leben bestand aus

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