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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Ahnung.«
    »Versuch mal, auf andere Weise ranzukommen. Versuch dich anzuschleichen.«
    »Das habe ich schon getan. Ich glaube, dass der Kerl in der Army oder bei den Marines war.« Ich rieb mir den Hinterkopf, der wieder zu schmerzen begann. »Aber es kann auch die Navy gewesen sein. Scheiße, Christy, ich weiß es nicht.«
    »Sadie, Jake. Ich bin Sadie.«
    »Hab ich das nicht gesagt?«
    Sie schüttelte den Kopf und lächelte gequält.
    Am 12. November, dem Dienstag nach dem Veterans Day, brachte die Morning News einen langen Leitartikel über den be vorstehenden Kennedy-Besuch und seine Bedeutung für die Stadt. »Der größte Teil der Einwohnerschaft scheint bereit zu sein, den jungen, unerfahrenen Präsidenten mit offenen Armen zu empfangen«, hieß es darin. »Die Aufregung ist groß. Natürlich schadet es nicht, dass seine hübsche und charismatische Frau diesmal mit von der Partie sein wird.«
    »Hast du letzte Nacht wieder von dem Kartenmann geträumt?«, fragte Sadie, als sie hereinkam. Sie hatte den Tag in Jodie verbracht, hauptsächlich um ihre Blumen zu gießen und »Flagge zu zeigen«, wie sie es ausdrückte.
    Ich schüttelte den Kopf. »Schatz, du warst viel öfter hier als in Jodie. Wie steht’s mit deinem Job?«
    »Miz Ellie hat mir eine Teilzeitstelle gegeben. Ich komme halbwegs zurecht, und wenn ich mit dir gehe … falls wir gehen … werde ich halt einfach abwarten, was passiert.«
    Ihr Blick glitt von mir weg, und sie beschäftigte sich damit, sich eine Zigarette anzuzünden. Während ich beobachtete, wie sie den Tabak zu lange auf der Tischplatte festklopfte und dann mit ihren Streichhölzern herumfummelte, wurde mir etwas Entmutigendes klar: Auch Sadie hegte Zweifel. Ich hatte die friedliche Beilegung der Raketenkrise vorhergesagt und gewusst, dass Dick Tiger in der fünften Runde k. o. gehen würde … aber sie hatte weiter ihre Zweifel. Und ich konnte ihr das nicht verübeln. Wären unsere Rollen vertauscht gewesen, hätte auch ich Zweifel gehabt.
    Dann heiterte ihre Miene sich auf. »Aber ich habe einen verdammt guten Stellvertreter gefunden, den du bestimmt erraten kannst.«
    Ich lächelte. »Das ist sicher …« Der Name fiel mir nicht ein. Ich sah den Mann vor mir – das von Wind und Wetter gegerbte Gesicht, den Cowboyhut, den Bolo Tie –, aber an diesem Dienstagmorgen konnte ich seinen Namen nicht einmal andeutungsweise erraten. Mein Hinterkopf begann wieder dort zu schmerzen, wo ich ihn mir an der Fußleiste angeschlagen hatte – aber an welcher Leiste, in welchem Haus? Das nicht zu wissen war grauenhaft frustrierend.
    Kennedy kommt in zehn Tagen, und ich kann mich nicht mal an den Scheißnamen des alten Kerls erinnern.
    »Gib dir Mühe, Jake.«
    »Das tue ich ja«, sagte ich. »Das tue ich, Sadie!«
    »Augenblick, ich hab eine Idee.«
    Sie legte ihre brennende Zigarette in eine der Mulden des Aschenbechers, stand auf, ging hinaus und schloss die Haustür hinter sich. Dann öffnete sie die Tür wieder, sprach mit komisch barscher, tiefer Stimme und sagte, was der alte Kerl immer sagte, wenn er mich besuchen kam: »Na, wie geht’s uns heute denn so, mein Sohn? Isst du auch tüchtig?«
    »Deke«, sagte ich. »Deke Simmons. Er war mit Miz Mimi verheiratet, aber die ist in Mexiko gestorben. Wir haben eine Trauerfeier für sie veranstaltet.«
    Die Kopfschmerzen waren verschwunden. Einfach so.
    Sadie klatschte Beifall und kam zu mir gelaufen. Ich bekam einen langen, liebevollen Kuss.
    »Siehst du?«, rief sie aus, als sie sich aus meiner Umarmung löste. »Du kannst es schaffen! Es ist noch nicht zu spät. Wie heißt er, Jake? Wie heißt dieser verrückte Dreckskerl?«
    Aber ich konnte mich nicht erinnern.
    Am 16. November veröffentlichte der Times Herald die Route der Autokolonne des Präsidenten. Sie würde am Flughafen Love Field beginnen und am Trade Mart enden, wo Kennedy bei einem Essen vor dem Stadtrat und ausgesuchten Gästen sprechen sollte. Offiziell hatte diese Rede den Zweck, das Graduate Research Center zu feiern und Dallas zu seinen wirtschaftlichen Fortschritten im vergangenen Jahrzehnt zu gratulieren, aber der Times Herald teilte allen, die es noch nicht wussten, bereitwillig mit, dass sie rein politisch motiviert sei. Texas war 1960 an Kennedy gegangen, aber für 1964 war das nicht garantiert, obwohl JFK weiter einen guten alten Haudegen aus Johnson City mit im Boot hatte. Bei Zynikern hieß der Vizepräsident immer noch »Erdrutsch-Lyndon«, was auf die Senatswahl des

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