Der Antares-Krieg
die Angriffsoperationen praktisch zum Stillstand, und noch mehr Mittel flossen in den Bau von Faltpunkt-Verteidigungsanlagen. Gegen Ende dieses Zeitabschnitts wurde es schon schwierig, Mittel für die defensive Kriegführung bewilligt zu bekommen.
Ungefähr zu der Zeit, als die Ryall das System Aezer eroberten, wurden defätistische Stimmen laut, und größere Gruppen, die sich zunächst als ›Friedensfreunde‹ tarnten, versuchten in den Entscheidungsgremien Fuß zu fassen und weitere Mittel für die Kriegführung zu blockieren. Das erste System, welches sich in einer kriegswichtigen Frage offen gegen die Zentralregierung stellte, war Scuylers Stern gewesen. Die Scuylerier erklärten sich für neutral und weigerten sich, ihre Quote an Schiffen und Personal für die jährliche Flottenaushebung zur Verfügung zu stellen. Die Rebellion war von der Großen Flotte, die Scuyler in einer unblutigen Operation besetzt hatte, niedergeschlagen worden, aber das Beispiel war von starker Wirkung auf andere Pazifisten.
Die Friedensbewegung ging nun in den Untergrund. Dabei war es nicht überraschend, dass die Erde selbst eines der stärksten Zentren der Bewegung war, hatte die Bevölkerung doch bis dahin die Hauptlast der Kriegsanstrengungen getragen. Hinzu kam, dass der Krieg für den durchschnittlichen Erdenbewohner weit entfernt war. Um das Sonnensystem zu erreichen, würden die Zentauren vier Faltpunktübergänge hinter sich bringen und ein Dutzend Flotten und vier Serien von Faltpunktverteidigungen überwinden müssen. Hinter dieser sicheren Barriere mehrfacher Verteidigungslinien sah der durchschnittliche Erdenbewohner nicht ein, warum er bis ans Ende seiner Tage eine erdrückende Steuer- und Abgabenlast tragen sollte, um »ein paar Kolonialwelten zu schützen, die selbst mehr zu ihrem Schutz beitragen sollten«. Diese Einstellung gewann immer mehr Anhänger, besonders in einigen größeren Nationalstaaten, die hartnäckig daran festhielten, dass sie de jure dem Interstellaren Rat gleichgestellt und je nach ihrer Bedeutung an der Zentralregierung beteiligt waren. Im Laufe der letzten zehn Jahre hatten die meisten Regierungen der Nationalstaaten unter dem Druck der allgemeinen Stimmung Resolutionen verabschiedet, die eine Verringerung der Kriegslasten verlangten.
Leicht deprimiert kehrte Bethany in ihr Hotel zurück. Es war eine vertraute Stimmung, hervorgerufen von einer allzu konzentrierten Dosis Geschichte, die sie sich in zu kurzer Zeit verabreicht hatte. Denn ebenso wie die Tagesnachrichten sich überwiegend aus schlechten Meldungen zusammensetzten, bestand die Geschichte aus Ereignissen und Entwicklungen, die sich in der Rückschau zumeist negativ ausnahmen. Bethany hatte die Weisheit jener alten chinesischen Verwünschung: »Mögest du in interessanten Zeiten leben!« schon während ihres ersten Studienjahres gelernt. Oft hatte sie gedacht, dass nur ein Historiker die subtile Tiefe dieser Erkenntnis wahrhaft würdigen konnte.
Als sie in ihr Zimmer kam, fand sie dort eine Botschaft vor, nach der sie zu einer Stadtbesichtigung von Ciudad de Mexico eingeladen sei, und wenn sie daran interessiert sei, werde sie ein Fremdenführer am folgenden Morgen um sieben in der Hotelhalle erwarten.
Der Fremdenführer war eine selbstbewusste Blondine namens Ryssa Blenham, die nicht ganz zufällig auch die Tochter des Zweiten Koordinators für den Interstellaren Rat war. Beim Frühstück erfuhr Bethany, dass Ryssa von Galleria stammte, aber schon seit vielen Jahren in Mexico City lebte. Die beiden verbrachten den Vormittag mit dem Besuch von Museen, Kirchen des 16. Jahrhunderts im spanischen Kolonialstil und verschiedenen Bauwerken aus der Vergangenheit der Stadt. Mittags führte Ryssa sie zu einem der Straßencafes, die beide Seiten eines breiten Boulevards schmückten. Die beiden Frauen aßen ein leichtes Mittagessen aus Gazpacho und Salat und erzählten einander von ihrer Kindheit. Dann wandte sich die Unterhaltung unausweichlich Bethanys Stellung in der Helldiver-Expedition zu.
»Ich hörte, dass Sie Diplomatin sind«, sagte Ryssa. Bethany stellte das Weinglas auf den Tisch zurück und lachte. »Nur im weitesten Sinne.« Sie erklärte Ryssa die Geschichte ihrer Familie, aus der sich ihre Ernennung zur offiziellen Vertreterin des irdischen Botschafters auf Alta ergab. Sie habe, erläuterte sie, an der Expedition nur teilgenommen, um die angesammelten Depeschen und Berichte der Botschaft der zuständigen Persönlichkeit im
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