Der Apotheker: Roman (German Edition)
vor Schmerz. Doch meine Pein erregte ihn schier grenzenlos. Dann biss er noch stärker zu, bohrte seine Fingernägel in das weiche Fleisch meiner Arme, zwang mir jäh und schmerzhaft die Beine auseinander. Ich sagte nichts, als er sich ankleidete, sondern drehte ihm den Rücken zu und schloss die Augen, wund und niedergeschlagen. Ich antwortete nicht, als er mir eine gute Nacht wünschte. Obwohl ich dringend Wasser lassen musste, brachte ich kaum noch die Kraft und den Willen auf, mich aus dem Bett zu schleppen. Als ich schließlich auf dem Topf hockte, die Bettdecke unbeholfen über die Schultern gezogen, musste ich den Kopf auf die Knie legen und fürchtete, ohnmächtig zu werden.
Einige Minuten später entdeckte mich meine Mutter. Mit schräg gelegtem Kopf und gespitzten Lippen betrachtete sie mich einen Augenblick. Ihre Augen blitzten. Dann ging sie hinaus. Ich hörte, wie der Kessel über dem Feuer klirrte. Als sie wieder ins Zimmer kam, hatte sie einen Becher mit einer dampfenden Flüssigkeit in der Hand, den sie mir hinhielt.
»Trink das, Eliza«, wies sie mich an. »Das wird dir Kraft geben.«
Ich nahm den Becher. Die Flüssigkeit war dunkelgrün und duftete stark nach Salbei. Mir wurde so übel, dass ich torkelte, worauf der Becher überschwappte und sich die heiße Flüssigkeit über meine Finger ergoss.
»Halt ihn fest, du dummes Ding! Du wirst noch alles verschütten.«
Sie riss mir den Becher aus der Hand, hielt ihn mir an die Lippen und befahl mir zu trinken.
»Das wird dir gegen die Übelkeit helfen. Und es wird auch dem Kind guttun.« Ihre Miene wurde sanfter, und sie streichelte mir ein wenig über den Arm, wie bei einer Katze. »Das hast du gut gemacht, mein Herz. Jetzt haben wir den Jungen am Schlafittchen.«
Es bestürzte ihn, das konnte man wohl sagen, auch wenn er nach dem ersten Schock schnell wieder Haltung gewann, indem er sich an der Stuhllehne festhielt.
»Ein Kind? Aber …!«
Sein Erstaunen klang durchaus echt. Ich spürte, wie Verärgerung in mir aufstieg. Natürlich ein Kind. Was glaubte er denn gezeugt zu haben, ein Kalb vielleicht? Meine Mutter packte mich an der Hand und drückte sie fest, als Warnung, zu schweigen. Ich biss mir auf die Zunge, starrte ihn aber trotzig und herausfordernd an, damit er es ja nicht wagte, Ausflüchte zu suchen. Er hielt den Blick gesenkt. Seine Wangen waren bläulich weiß wie entrahmte Milch. Kurz glaubte ich, er würde ohnmächtig, und vor Widerwillen breitete sich in meinem Mund ein saurer Geschmack aus.
»Ich … aber … ich habe doch nie …«
»Du hast was noch nie?«, schrie ich ihn an. Ich wollte hochfahrend klingen, aber meine Stimme kam schrill und gepresst heraus.
Er sah mich kurz an, blinzelte heftig, seine Lippen zitterten, und seine Hand tastete an der Hüfte nach dem Knauf seines Degens. Erst da merkte er, dass er ihn nicht trug; er lag auf dem Boden, wo er ihn kurz nach seinem Eintreffen abgelegt hatte. Seine Finger spannten sich an, als er ihn betrachtete. Dann, hocherhobenen Hauptes und mit vorgerecktem Kinn, wandte er sich an meine Mutter.
»Angesichts der Neigungen Ihrer Tochter – wie kann ich da sicher sein, dass das Kind wirklich von mir stammt?«, meinte er gedehnt.
Meine Mutter drückte meine Hand so fest, dass es ein Wunder war, dass sie heil blieb.
»Wie können Sie es wagen, vor Ihrer Ehefrau so zu sprechen?«, sagte sie drohend. »Ich hatte Sie für einen Gentleman gehalten, mein Herr. Sie haben meine Tochter bereits genug beschämt durch Ihre Weigerung, das Gelöbnis Ihrer Familie bekannt zu machen. Wollen Sie ihre Tugend noch mehr beschmutzen, indem Sie ihre Treue anzweifeln?«
Der Junge zog eine Braue hoch. In dem Moment erschienen mir seine Augen, die ein wenig zu weit aus den Höhlen traten, wie Glasmurmeln. Am liebsten hätte ich ihn gepackt und mit aller Kraft geschüttelt, bis sie ihm aus dem Kopf herauspurzelten und über den Boden rollten. Bei dem Gedanken, wie seine fleischigen Finger über meine Haut strichen und sich zwischen meine Beine drängten, bekam ich eine Gänsehaut auf Brust und Nacken. Trotz der Wärme des Tages fröstelte ich unwillkürlich.
»Ehefrau?«, wiederholte er spöttisch. »Meine Ehefrau?« Bei diesen Worten schien er sich ein wenig zu recken. »Ich fürchte, Sie irren sich, Madam. Ich habe keine Ehefrau. Ich habe kein Gelöbnis abgelegt. Jedenfalls keines, das von einem kultivierten Menschen als solches angesehen würde. Oder vom Gesetz.«
»Wie
Weitere Kostenlose Bücher