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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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bitte …?«
    »Schweig!«, fuhr Mama Tally dazwischen und packte meine Hand. Sie starrte den Jungen wütend an, verbiss sich gleichsam in sein Gesicht und wiegte dabei den Kopf wie eine Schlange. »Wenn sich hier jemand irrt, mein Herr, dann sind Sie es. Ich war schließlich bei der Zeremonie zugegen, habe sie selbst geleitet. Und es gibt auch eine Trauzeugin, wenn Sie sich zu erinnern belieben.«
    »Sie glauben doch nicht etwa, dieser abergläubische hinterwäldlerische Mumpitz sei ein bindender Ehevertrag!«, spottete er. »Über einen Besen zu hüpfen? Meine Güte! Ich möchte Sie nicht enttäuschen, Madam, aber kein Richter in diesem Land würde mich als rechtmäßig verheiratet ansehen. Über einen Besen zu hüpfen, ich bitte Sie!«
    Ich spürte, wie mir die Galle hochkam. Mir wurde schwindelig, und ich versuchte, meine Hand aus dem Griff meiner Mutter zu befreien, denn ich war mir sicher, mich übergeben zu müssen, aber sie hielt sie nur noch fester. Ihre Nase war weiß und ganz spitz geworden.
    »Da irren Sie sich leider, mein Herr«, sagte Mama Tally gelassen. »Wie Sie wissen, war mein seliger Mann Geistlicher, daher kenne ich mich in diesen Dingen ein wenig aus. Vielleicht würde ein Richter nach dem Gesetz beanstanden, was wir getan haben, jedoch nicht die Kirche, nicht eine Sekunde lang. Die Kirche betrachtet Sie als verheiratet vor Gott, so gut als hätten Sie Ihr Gelübde in St. Bede abgelegt. Fragen Sie Reverend Salt, wenn Sie mir nicht glauben. Er wird es Ihnen bestätigen. Ob Cottage oder Kathedrale, das ist dem Erzbischof gleich, er wird da kein Jota Unterschied sehen. Ihr seid verheiratet, daran besteht kein Zweifel. Ihr seid lebenslang aneinander gebunden, im Guten wie im Schlechten. Verheiratet, wie es sich gehört.«
    Der Junge öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber Mama Tally wusste, wann man eine Trumpfkarte ausspielte. Sie war wie ein Terrier, der die Beute zwischen seinen erbarmungslosen Fangzähnen festhielt und sie wie eine Ratte hin und her schüttelte. Sie hörte nicht auf, bis mir vor Übelkeit so kalt und schwindelig war, dass ich nur noch das Dröhnen in meinen Ohren vernahm.
    Der Junge blinzelte und biss sich auf die Lippen. Sein vorgerecktes Kinn begann zu beben. Schließlich schluchzte er laut. Es widerte mich an. Man konnte ihn zwar kaum verstehen, aber der Sinn seiner Worte war eindeutig. Er habe einen Fehler gemacht. Es sei alles nur eine Art Ulk gewesen. Niemals habe er gewollt, dass alles dermaßen aus den Fugen gerate. Ich sei eine Hure, ein billiges Flittchen, und nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Er habe mir doch Geschenke gebracht, oder etwa nicht? Er habe seine Verpflichtungen eingehalten, sich verhalten wie ein Gentleman. Ich sei es schließlich gewesen, die ihm nachgestellt, ihn ermutigt und schließlich in die Falle gelockt habe. Dieses Kind, nun ja, er zweifle, ob das überhaupt wahr sei. Er habe stets klargestellt, dass es nicht die leiseste Möglichkeit einer Eheschließung gebe. Sein Vater würde in tausend Jahren nicht eine Verbindung mit einem Mädchen meiner Sorte billigen. Lieber würde er uns beide tot sehen. Und falls er versuchte, sich dem Willen seines Vaters zu widersetzen, würde der Alte nicht zögern und ihn enterben, ihn ohne einen Penny verstoßen. Er würde auf die Straße geworfen, man würde ihm untersagen, seine Mutter und seine Schwestern zu treffen. Er würde alles verlieren.
    Ich konnte an nichts anderes denken als an meine Übelkeit. Ich sah den Gesichtsausdruck meiner Mutter, verstand, was er bedeutete, aber die Schande, die gewiss folgen und mich ins Unglück stürzen würde, war mir kaum einen Gedanken wert. Nur an die Übelkeit konnte ich denken, die Übelkeit und den Ekel, die mir den Magen umdrehten. Ich schaffte es kaum, ihn anzusehen, sein weiches, klebriges Gesicht und seine triefende Nase, die er sich mit dem Jackenärmel abwischte wie ein Kind. Hätte er mich angefasst, hätte ich ihn vermutlich geschlagen. Seit Beginn des Streits hatte er nicht ein einziges Mal das Wort an mich gerichtet.
    Ich schloss die Augen ganz fest und wünschte ihn fort. Ich sehnte mich nach Ruhe, nach Schlaf. In meinem Inneren ringelte sich das Kind zusammen wie ein Wurm, mit seinen kalten Marmoraugen starrte es ins tiefe Dunkel, mit seinen gekrümmten Klauen klammerte und drückte es sich an meinen Bauch, während es mich verschlang. Hätte ich nur die Kraft gehabt, ich hätte mir den Wurm mit den Fingernägeln aus dem Leib gerissen, hier und

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