Der Apotheker: Roman (German Edition)
Winkel meines Gehirns & schenkt mir vollkommene Klarheit. Ein Vogel setzt sich auf die Fensterbank, die Federn eine Symphonie changierender Farben, die Augen unergründlich. Ich könnte ihn bis in alle Ewigkeit betrachten. Er hebt die Flügel, & ich spüre, wie mir die Tränen in die Augen schießen, weiß ich doch, dass ich die makellose Schönheit eines Engels erblicke.
Ich bin überwältigt.
XVI
M rs Black war sofort zur Stelle, als ich zu schreien anfing. Als Erstes befahl sie Mary, im Kamin ein Feuer anzuzünden. Doch da dieser seit Jahren nicht benutzt und völlig verdreckt war, zog er nicht. Es qualmte, und dicke, beißende Rauchwolken erfüllten das Zimmer, worauf Mrs Black das Fenster aufriss. Dann trug sie Mary auf, die Tücher zu holen, die wir bereitgelegt hatten. Ich musste mich mit angezogenen Beinen auf den Rücken legen. Die Wehen kamen schnell und drückten mir die Rippen zusammen. Schweiß verklebte mir die Haare. Ich schrie, ich könne nicht liegen, der Schmerz sei nur im Sitzen erträglich und auf dem Rücken liegend würde ich vor Qualen sterben, aber Mrs Black ging nicht darauf ein. Sie rieb sich die Hände mit Entenfett ein, stieß mich unsanft in die Kissen zurück, zwang meine Oberschenkel auseinander und steckte die Hand zwischen meine Beine. Ich schrie wieder. Dann wurde ich von Krämpfen geschüttelt, und der Schrei erstarb auf meinen Lippen. Ich konnte kaum atmen. Tränen strömten mir übers Gesicht. Der Schmerz war unerträglich. Ich glaubte sterben zu müssen. Ich umklammerte meinen Hasenfuß und drückte ihn an die Wange. Die dunklen Härchen des Fells klebten auf meiner Haut.
»Pscht«, schalt sie, aber ganz sanft. »Ich will nur fühlen, wie das Kind liegt.«
Ich schnappte nach Luft, als ihre Finger in mich eindrangen. Mit konzentriertem Blick betastete sie mich. Plötzlich ein heftiger Ruck, und ich schrie abermals auf. Das Zimmer verschwamm vor meinen Augen, die Wände lösten sich auf im silbernen Staub winziger Sterne.
»Der Gebärmutterhals muss gedehnt werden, damit das Kind hindurchkann«, sagte sie energisch. »Wie sonst soll es zur Welt kommen?«
Der nachfolgende Schmerz war viel schlimmer, als ich es mir vorgestellt hatte. Meine Mutter war zwar Hebamme gewesen, aber ich selbst hatte mit Entbindungen keinerlei Erfahrung. In meinem Dorf fand die Niederkunft hinter verriegelten Türen und geschlossenen Fensterläden statt, unter den Argusaugen von vertrauten Helferinnen, die sich angespannt und heimlichtuerisch um die Gebärende kümmerten. Eine Entbindung war für mich gleichbedeutend mit Geflüster, besorgten Mienen, flüchtig erhaschten Blicken in dunkle, heiße Räume, bevor man mich umstandslos hinausschob. Selbst nach einer glücklichen Entbindung standen die Helferinnen an der Tür Wache und ließen lange niemanden herein. Ein Säugling war mindestens schon eine Woche alt, und seine Mutter hatte sich bereits gut erholt, bevor die Familie Zutritt erhielt.
Ein wenig war ich dankbar dafür, dass ich nicht wusste, was mich erwartete, sonst wäre ich womöglich vor Angst gestorben. Die Luft im Zimmer war stickig. Mary hatte mit dem, was Mrs Black ihr auftrug, alle Hände voll zu tun. Sie verhängte das Fenster mit einer dicken Decke, damit nur ja kein Sonnenstrahl die Dunkelheit störe, brachte mir eine Schale warmen, mit Zucker gesüßten Wein, an dem ich nippen sollte, wenn ich dazu in der Lage war, holte Wasser und Tücher und andere Utensilien. Aber dazwischen kauerte sie sich immer wieder neben mich, strich mir die schweißverklebten Haare aus der Stirn und murmelte Worte, die ich für Gebete hielt. Wenn der Schmerz ein wenig nachließ, betete ich mit ihr zusammen und bat Gott um Gnade und Erlösung. Mrs Black wies mich scharf zurecht, still zu sein, aber ich sprach trotzdem flüsternd weiter, ohne dass mich ihre Ermahnungen erreichten. Ich würde alles tun, flehte ich zu Gott, ich würde die härtesten Prüfungen erdulden, wenn Er mich nur von meinen Qualen erlösen und am Leben lassen würde.
Als die Kreatur schließlich aus mir heraus war, fühlte ich mich so schwach, dass ich nicht einmal mehr den Kopf heben konnte, um zu trinken. Mary versuchte, mir ein wenig Stärkungsmittel auf die trockenen Lippen zu träufeln, aber sie war ungeschickt, und das meiste lief mir übers Kinn. Mrs Black aber war flink bei der Hand. Sie schnitt die Nabelschnur durch, die mich mit der Kreatur verbunden hatte, nahm das blutige Bündel und trug es zum Fenster, mit der
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