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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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konnte und meine schmutzige Bettwäsche gewechselt wurde, ließ mich Mrs Black von Mary pflegen. Mary machte mir Umschläge und bereitete mir Kräuterbäder zur Reinigung meiner Scham und zur Linderung der Schmerzen. Sie brachte mir Brühe und Stärkungsmittel und Bonbons, um meinen Appetit anzuregen. Ich drehte mein Gesicht von ihr weg zur Wand. In meinem schmutzigen, stinkenden Bett hüllte ich mich in mein Elend ein wie in eine Decke. Ich brachte es nicht fertig, aus dem Fenster zu schauen und die Kuppel zu betrachten. Ihr Hochmut war mir jetzt unerträglich.
    Stattdessen starrte ich auf den bröckelnden Verputz in der Wand, den Staub und die Feuchtigkeit, die modernden Holzlatten, die wie Finger aus der Wand hervorstakten. Mein Unterleib zog sich zusammen und bildete sich wieder zu seiner alten Größe zurück. Ich hielt mich an den Schmerz und gab mich ihm hin, auch wenn ich keinen Sinn darin sah. Es wäre gewiss besser gewesen, er wäre zusammen mit dem Kind aus mir herausgepresst worden. Als Mrs Black zum ersten Mal ins Zimmer kam und an mein Bett trat, trug sie ein schwarzes Trauerkleid. Ihr Gesicht erschien mir grauer als sonst, und unter ihren Augen lagen tiefe Schatten. Sie bewegte sich vorsichtig, mit steifem Hals, und ihr Gesicht war wie exakt gefaltetes Papier.
    Ich wusste es, noch bevor sie es mir sagte. Der Säugling war tot. Ihre Worte legten sich wie Hände um meinen Hals und würgten mich. Ich schüttelte besinnungslos den Kopf und atmete in flachen Stößen. Mrs Blacks Lippen waren nur ein dünner, schmaler Strich, aus dem die Worte kaum herausfanden. Niemandem könne ein Vorwurf gemacht werden, sagte sie. Weder sie noch eine andere Hebamme hätten etwas machen können. Die Wehen seien zu lang, die Tortur zu schlimm gewesen. Sie habe alles getan, was sie konnte, habe dem Säugling ein wenig weiche Butter und Zucker gegeben, zur inneren Reinigung und um seine Atemwege frei zu machen; sie habe sogar seine Nasenlöcher mit warmem Wein benetzt, aber all das habe nichts genutzt. Das Kind, durch die Anstrengung der Geburt geschwächt, habe nur wenige Stunden überlebt.
    Da fing ich an zu schreien, ich bäumte mich auf und packte sie am Arm. Das sei nicht wahr, schrie ich, sie habe unrecht. Dabei krallte ich meine Finger in ihr Fleisch. Ich selbst hätte doch gesehen, wie das Kind gelebt hatte, ich hätte es schreien hören, seinen warmen Atem an meinem Finger gespürt. Es sei doch bei Kräften gewesen und wohlauf. Sie lüge. Das Kind sei nicht tot. Es schlafe nur. Sie müsse es sofort zu mir bringen, damit ich es stillen könne. Es sei doch hungrig, brauche Nahrung, brauche seine Mutter. Sie solle es augenblicklich zu mir bringen.
    Mrs Blacks Nasenspitze war kreidebleich. Sie befreite sich aus meinem Griff.
    »Nein, Mädchen«, sagte sie scharf, dann ging sie neben mir auf die Knie und packte mich am Handgelenk. Ihr Gesicht war dem meinen so nah, dass ich in ihrem Atem das Aroma von Bratensoße roch. »So etwas darfst du nicht sagen. Es ist ganz typisch, dass die Mutter denkt, ihr Kind sei wohlauf. Ihr Geist spielt ihr einen Streich. Dein Kind war nicht kräftig genug, sein Herzschlag zu schwach. Es hätte niemals überleben können. Sei vielmehr dankbar dafür, dass noch Zeit blieb, es taufen zu lassen. Es ist jetzt beim Herrn. Darin liegt doch gewiss ein Trost. Ich habe ihm den Namen Grayson gegeben, nach Mr Black.«
    Ein Junge. Es war ein Junge. Schwer atmend schüttelte ich den Kopf. Am liebsten hätte ich meine Zähne in ihre Hand geschlagen, um ihr schmerzverzerrtes Gesicht zu beobachten und den Geschmack ihres Blutes auf meiner Zunge zu spüren.
    »Wo ist mein Kind?«, fragte ich, und meine Stimme überschlug sich, rasend, wie ich war, vor Verzweiflung. »Bringen Sie es zu mir, sofort, hören Sie? Ich will meinen Sohn!«
    Mrs Black verzog das Gesicht zu einer Grimasse, die Lippen blutleer.
    »Hör mir zu«, sagte sie. »Du bist nicht die erste Mutter, die ihr Kind verloren hat, und auch nicht die letzte. Säuglinge sterben. Viele sterben unerlöst, ohne in das Himmelreich einzugehen. Du solltest Gott für seine Gnade danken. Dein Kind wurde aus einer Welt voll Leid und Kummer an einen Ort unvorstellbarer Glückseligkeit geholt. Weine nur, wenn du nicht anders kannst. Es ist das Schicksal einer Mutter, ihr Kind zu betrauern. Aber es ist auch ihre Pflicht, nicht daran zu zerbrechen.«
     
    Ich weinte nicht, nicht in jenem Moment. Alle Tränen, jeder Tropfen Flüssigkeit in meinem Blut schoss

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