Der Apotheker: Roman (German Edition)
dem seltsamen Dialekt, der zur Erntezeit blieb und dessen Kuss nach Apfelwein schmeckte. Aber am häufigsten erzählte ich von meinem Ehemann, der auf hoher See war.
Anfangs war er noch schmächtig und substanzlos, aber je mehr ich von ihm sprach, desto mehr Fleisch setzte er an, bis ich das Gefühl hatte, ich müsste nur den Arm ausstrecken, um seine Hand an meine Wange zu drücken. Seine Augen waren glänzend braun wie Rosskastanien, und wenn er lächelte, zog er einen Mundwinkel nach oben und in seiner rechten Wange bildete sich ein Grübchen. Seine Angehörigen waren gegen unsere Heirat gewesen, sie wollten, dass er sich eine Frau suchte, die ein großes Vermögen mit in die Ehe brachte. Aber er hatte sich geweigert, auf sie zu hören. Für ihn war ich reich – nicht an Geld, sondern an Schönheit – und ausgestattet mit einem guten Wesen. Ja, wenn ich ihn nehmen würde, so erklärte er, würde er sich als glücklichsten Menschen auf Erden betrachten, denn er liebe mich von ganzem Herzen. Das war Marys Lieblingspassage, und ich musste sie oft wiederholen.
Natürlich hatte sich seine Familie erweichen lassen. Von dem Augenblick an bis zu dem Tag, an dem die väterlichen Geschäfte seine Abreise nach Ostindien erforderlich machten, so beteuerte ich traumverloren, waren wir beide unzertrennlich. Ich berührte den Ring, den mir Mrs Black gegeben hatte, und drehte ihn an meinem Finger, bevor ich ihn an die Lippen hob. Und ich malte mir aus, wie er am Bug eines großen Schiffes stand, der Brandung des Meeres trotzend.
Mary seufzte und zog an meinem Nachthemd.
»Naa?«, fragte sie. »Sein Naa?«
Das Bild vor meinen Augen verblasste, und ich runzelte die Stirn. Ich hatte Mary ganz vergessen.
»Lize, bitte, sein Naa?«, fragte Mary wieder.
Ich zögerte, obwohl ich genau wusste, was sie meinte.
»Daniel«, sagte ich schließlich, und durch die Dunkelheit lächelte er mir zu, ein Grübchen in der rechten Wange, und tippte sich an den Hut.
Bald ist es so weit. Vielleicht noch eine Woche, gewiss nicht mehr als zwei. Das wird der Durchbruch sein, da bin ich mir sicher. Mein Herz hüpft in meiner Brust, wild von überschäumendem Blut, dass ich das Gefühl habe, es müsste zerspringen. Aufgüsse mit Aschwurz können das wallende Blut nicht beruhigen. Im Gegenteil, mein Körper ist wie die Pflanze selbst, schon der kleinste Gedankenfunke entflammt einen Blitz, der mein ganzes Ich erhellt. Wie Aschwurz scheint er nicht zu verbrennen, sondern entzündet sich immer wieder neu, mit immer gleißenderem Licht.
Ich werde nicht zulassen, dass Jewkes hierherkommt, sosehr er darauf besteht, stattdessen habe ich Mr Halley eine Einladung geschickt & warte auf seine Antwort. Er wird kommen, das weiß ich, denn wir sind beide Engländer & können nicht umhin, als ein Werkzeug von Gottes heiligem Willen unsere Pflicht zu erkennen. War es nicht ein Engländer, der zuerst begriff, dass reinweißes Licht, das uns Helligkeit spendet, alle Farben des Universums in sich birgt? Manche behaupteten, wir könnten nicht mehr wissen, Gott würde uns nicht mehr von den heiligen Geheimnissen Seiner Schöpfung zuteil werden lassen. & doch, hier stehe ich, demütig & ein wenig ängstlich, bereit, die Laterne meines Verstandes emporzuhalten, um die dunklen Winkel der Welt in Licht zu baden. Wie falsch, wie grundfalsch sie doch lagen!
Der Schmerz lässt nach, das Opium durchströmt mich, kühl wie Wasser. Seiner Wirkung kann ich nun wieder sicher sein, da ich die Dosis um drei Gran erhöht habe. Lemery hatte unrecht, als er behauptete, das klebrige Opiumharz emulgiere & verlangsame die Hirnfunktion. Im Gegenteil, es reinigt die Bahnen meines Geistes von Staub & Geröll menschlicher Schwäche & Enttäuschung, sodass ich nur die Wahrheit erkenne, die reine & zielstrebige Wahrheit, die keinen Betrug mit Worten duldet, keine Vernebelung, sondern den allereinfachsten Ausdruck sucht – die Kreatur selbst , die Fleisch gewordene Unwissenheit & Gottlosigkeit, die lebende Verkörperung der Dunkelheit, vor deren Hintergrund die Reinheit des Lichts sichtbar wird.
Der Duft meines Kaffees hängt in der Luft & birgt sämtliche Aromen des Orients. Ich atme ein, & die feinen Härchen in meiner Nase zittern in reinstem Wohlgefühl. Noch nie habe ich solche Farben gesehen. Das Feuer brennt mit unvergleichlicher Glut, sein rotgoldener Kern funkelt in flüssigem Glanz. Es prägt sich meinem Schädel ein, ergießt sein geschmolzenes Licht in die dunkelsten
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