Der Architekt
wüten.
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Ich verbrachte die ganze restliche Nacht in dem versteckten Betonlabyrinth, den folgenden Tag und auch die folgende Nacht.
Wenn ich mich heute daran zurückerinnere, kommt es mir vor wie ein einziger Strudel aus Eindrücken, Bildern und Tönen, Rauschzuständen und tiefschwarzen Momenten der Begegnung mit dem Fremden. Ich kann nicht mehr sagen, mit wem genau ich es in diesen zwei Tagen alles zu tun hatte. Ich kann nicht mehr sagen, was ich getan, versprochen, ausgerufen, geschworen oder erbeten habe. Und je mehr ich versuche, die Eindrücke zu ordnen, desto mehr verschwimmen sie zu einem Taumel, in dem einzelne Formen nicht mehr erkennbar sind, nur noch Stimmungen, Ahnungen und ein allem zugrundeliegendes Gefühl der Enthemmtheit, des Außer-sich-Stehens. Es war, als entdeckte man sich selbst als einen anderen. Ein Rausch, ein Voranstürzen, bei dem ich mich nicht nur aller Äußerlichkeiten bediente, die sich anboten, sondern bei dem ich auch, ich weiß nicht aufgrund welcher Willensschwächung, nach anfänglichem Zögern schließlich hemmungslos Getränke in mich hineinschüttete, deren Zusammensetzung ich nicht kannte. Bei dem ich Essenzen verschlang, deren Wirkung mich bei anderen zugleich faszinierte und abstieß, und ich mich schließlich sogar einverstanden erklärte …
Doch hier sträubt sich etwas in mir, und ich breche die Schilderung ab. Kann ich sicher sein, es wirklich erlebt und nicht nur geträumt zu haben, in einem jener Augenblicke, in denen sich der Dämmerzustand in ungewohnter Umgebung mit dem Umstand verband, dass mehrere Gestalten im Raum waren und sich um mich bemühten? Es ist, als müsste ich erst eine eigene Sprache erfinden, um angemessen beschreiben zu können, was sich dort abspielte oder, besser gesagt, was ich meine, dass sich dort abgespielt hat.
Lassen wir es dabei.
Als ich am Morgen nach der zweiten Nacht aus dem Taxi stieg, um mit dem Fahrstuhl zu meiner Wohnung emporzufahren, zitterten mir die Beine. Ich hatte Mühe, den Schlüssel zu finden und im Schloss umzudrehen. In meiner Wohnung angekommen, wankte ich zum Bett, ließ mich darauf fallen und stürzte in einen Schlaf, der eher wie eine Ohnmacht wirkte. Ich erwachte erst am Abend, als Frau Belting anrief und sich mit besorgter Stimme erkundigte, was denn geschehen sei, warum ich mich denn nicht meldete.
Am nächsten Tag schloss ich pünktlich um neun meine Kanzlei auf und stürzte mich wie gewohnt in die Arbeit. Meine treue Sekretärin jedoch vermochte es nicht, ein ehrliches Entsetzen zu verbergen, als sie mich an dem Morgen begrüßte und ich zu ihr aufsah. Ich fragte sie, was denn sei, sie aber wich nur zurück, hob die Hände und stammelte, um Fassung ringend: »Mein Gott, was ist nur mit Ihnen geschehen!«
In den Tagen, die folgten, versuchte ich immer wieder zu rekonstruieren, ob es mir gelungen war, Mia in den Gängen und Räumen des Innenhauses aufzuspüren. Ganz sicher war ich mir nicht. Ein paarmal hatte ich ihren Namen anderen Frauen gegenüber erwähnt, einmal hatte ich auch geglaubt, ein beunruhigtes Aufblitzen in den Augen eines Mädchens erkennen zu können, als ich davon sprach, wen ich suchte, doch wirklich zu erkennen gab sich keine. Musste ich nicht dennoch umgehend Bescheid geben, dass ich das Haus gefunden hatte? Machte ich mich mit jedem Tag, den ich die Existenz und den Ort des Innenhauses verschwieg, nicht nur strafbar, sondern regelrecht schuldig, allein schon weil ich nicht dafür sorgte, dass Mia endlich befreit wurde?
Doch statt mich aufzuraffen, die Angelegenheit offiziell zu melden, zögerte ich. Was war geschehen? Erlag ich dem gleichen seltsamen Sog, von dem auch Ben Lindenberger schon berichtet hatte? Hatte ich ihm nicht vorgeworfen, den Ort des Hauses für sich zu behalten, und machte jetzt das Gleiche wie er? Doch es half nichts, immer wieder gelang es mir, diese Gedanken wie lästige Insekten aus meinem Kopf zu verbannen, von mir zu schieben. Je mehr Zeit verstrich, desto unwirklicher kam mir vor, was ich erlebt hatte. Würde ich nicht gefragt werden, warum ich so lange damit gewartet hatte, von dem Haus zu berichten? Ja, würde ich nicht bis ins letzte Detail darüber verhört werden, was ich selbst dort ganze 36 Stunden lang gemacht hatte? So schob ich den Entschluss, meine Entdeckung bekanntzugeben, immer weiter hinaus und hätte es, davon bin ich überzeugt, beinahe geschafft, die Angelegenheit ganz aus meinem Leben zu drängen, wäre ich nicht Monate später noch
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