Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Architekt

Der Architekt

Titel: Der Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
Vom Netzwerk:
klickte den Bildschirmschoner weg. Wo war er denn inzwischen mit seinem Text?
    Er öffnete das Schreibprogramm. Unter den zuletzt benutzten Dateien fand sich auch das Drehbuch für die TV -Serie, das er hätte umarbeiten sollen. Unwillig klickte er sich weiter bis zu dem Dokument, in dem er den Anfang des Götz-Buches niedergeschrieben hatte. Achtzig Seiten. Noch nicht sehr viel. Ihm fiel auf, wie laut die Lüftung des Rechners surrte. Das war doch lauter als sonst, oder? Er hatte schon in den vergangenen Tagen bemerkt, dass der Ventilator stetig geräuschvoller geworden war. Wahrscheinlich würde es beim nächsten Mal, wenn er den Rechner anschaltete, laut knallen und das verdammte Ding endgültig durchbrennen.
    Oder war es die Festplatte? Wenn die sich zerfetzte, war nicht nur der Computer kaputt, sondern auch sämtliche Dateien verloren. Er musste dringend ein Backup machen.
    Ohne sich auf den Bürostuhl zu setzen, zog er die oberste Schublade des Rollcontainers auf, der links neben seinem Schreibtisch stand. Hatte er nicht noch einen USB -Stick hier? Das würde für ein Backup doch erst mal reichen. Alte Kugelschreiber, stumpfe Bleistifte, Tintenpatronen, die nicht mehr passten, und Visitenkarten, die nicht mehr gültig waren … Nein, nein, den Stick hatte er doch neulich schon gesucht. Richtig, er hatte einen neuen kaufen wollen, als er auf dem Weg zu Lillian gewesen war, es dann aber vergessen.
    Ben knallte die Schublade so heftig wieder zu, dass er hören konnte, wie die Stifte durcheinanderflogen.
    Lillian …
    Sein Blick fiel auf den Spiegel, der am Eingang neben seiner Wohnungstür hing. Die Schwellung sah fürchterlich aus. Er konnte zwar auf beiden Augen wieder sehen, besonders das linke jedoch wirkte, als ob ihm jemand Wasser in Plastiksäckchen unter die Haut geschoben hätte. Solange er so aussah, blieb ihm eigentlich nur, sich an seinem Schreibtisch zu vergraben und zu arbeiten.
     
    Als Ben das nächste Mal auf die Uhr sah, war die Nacht beinahe vorbei. Er war so sehr in seinen Text versunken gewesen, dass er praktisch durchgearbeitet hatte. Er stieß den Bürostuhl zurück und stand auf. Die durchwachte Nacht steckte ihm in den Knochen. Er fühlte sich wie zerschlagen. Aber er hatte viel geschafft. Zwei weitere Kapitel waren hinzugekommen. »Die Anfänge von Götz Town Structures« und »Erste internationale Erfolge«.
    Ben wankte ins Bad, besah sich seine Augen. Die Schwellung war fast ganz zurückgegangen. Nur die Anstrengung der Nacht sah man ihm jetzt an, wie mit einem harten schwarzen Stift waren die Augen in sein Gesicht gezeichnet.
    Er ließ kaltes Wasser in die zur Schüssel geformten Hände laufen und tauchte sein Gesicht hinein. Hatte er nicht noch Croissants zum Selberbacken im Kühlschrank? Und Kaffee?
    Ungeduldig verließ er das Bad, um sich in der Küchennische ein Frühstück zuzubereiten. Erst als der Espressokocher auf dem Gas stand, sah er es wieder.
    Das T-Shirt.
    Es lag noch immer auf dem Tisch, auf den er es geworfen hatte.
    Ben ging zur Sitzecke und nahm es hoch. Jetzt, wo seine Augen wieder abgeschwollen waren, hatte er das Gefühl, das Kleidungsstück erst richtig sehen zu können. Er trat ans Fenster und hielt es ins erste Tageslicht.
    Die kleinen Flecken, die auf den weißen Stellen des Blümchenmusters zu erkennen waren, waren ihm gestern Abend gar nicht aufgefallen. Er drehte das T-Shirt um und zog unwillkürlich die Luft durch die Nase ein. Auf der Rückseite des Shirts breitete sich ein brauner, größerer Fleck aus, der die rosa und hellgrünen Blümchen förmlich verschluckt hatte.
    War das …
    Bens Herz setzte aus.
    … Blut?
    Er starrte zur Tür.
    Es hatte geklingelt.
    Einen Augenblick stand er bewegungslos da.
    Es klingelte erneut.
    Sein Herz stampfte.
    Er rang nach Luft, rieb sich mit den Fingern der Rechten hart die Schläfe. Die durchwachte Nacht schien sein Gehirn wie mit Spinnweben zu verkleben.
    Er gab sich einen Ruck und schlich lautlos auf Strümpfen zur Wohnungstür, hielt den Atem an. Seine Linke umklammerte krampfhaft das T-Shirt. Es kam ihm so vor, als würde man sein unterdrücktes Atmen bis weit ins Treppenhaus hinein hören. Aber das konnte doch nicht sein!
    Er brachte sein Auge vor den Spion, der in die Tür eingelassen war. Dahinter war – seltsam verformt – der Kopf eines Mannes zu erkennen. Eines Mannes, den er nicht kannte.
    Ben richtete sich wieder auf. Das T-Shirt in den Mund gepresst, um jeden Laut zu unterdrücken. Er hörte die

Weitere Kostenlose Bücher