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Der Architekt

Der Architekt

Titel: Der Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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Schritte des Mannes, der die Treppe wieder hinunterging. Wer war das?!
    Ben hastete zu dem kleinen Seitenfenster, von dem aus er auf die Straße blicken konnte, wenn er das Gesicht an die Scheibe presste. In zweiter Reihe auf der Fahrbahn stand ein dunkelblauer BMW aus einer kleineren Serie. Ben wartete, fast ohne zu atmen. Kaum eine Minute später sah er den Mann auf die Straße kommen. Er schlängelte sich durch die parkenden Autos hindurch, ging um den BMW herum und –
    Ben prallte zurück, heiße Wellen pumpten durch seinen Körper. Der Mann hatte nach oben gesehen, genau zu dem Fenster! Für einen Augenblick hatte Ben das Gefühl, sie hätten sich direkt in die Augen geschaut.
    Er hat mich nicht gesehen, stammelte es in ihm, die Reflexion … es ist kein Licht hier drinnen … Aber du warst ganz dicht am Fenster – das weißt du doch, dass man von außen sehen kann, was sich direkt am Fenster befindet, auch wenn innen kein Licht eingeschaltet ist.
    »Ich bin doch gleich zurückgewichen«, sagte er – diesmal laut. Der Mann wird vielleicht etwas gesehen haben, aber er war in Bewegung, er wird sich fragen, ob er sich nicht getäuscht hat.
    Hastig hob Ben einen Stuhl hoch, stellte ihn in die Mitte des Zimmers und stieg darauf. So konnte er bis auf die Straße hinunterschauen, ohne sich zu verraten!
    Der Wagen war weg.
    Er atmete aus. Aber sein Herz schien immer weiterzustampfen.
    Er sprang von dem Stuhl wieder herunter, das T-Shirt noch immer in der Hand. Mitten im Raum blieb er stehen und breitete es vor sich aus. Auf der Vorderseite war zwischen den Blümchen ein weißes Oval aufgedruckt, in dem sich ein kleiner Esel und ein süßer Elefant freundlich aneinanderlehnten, die Hälse vorgereckt, das Kinn jeweils erhoben, Wange an Wange, die Augen geschlossen. Gedankenverloren strich Ben das Schildchen glatt, das hinten am Kragen angebracht war. Angaben zum Waschen mit der Maschine, der Aufdruck »Made in China« und die Größe. 128 . Wie alt war das Kind dann?
    Er trat an den Computer und öffnete die Suchmaschine. Es dauerte etwas, bis er eine passende Tabelle gefunden hatte.
    Sieben bis acht.
    Ben blieb, die Arme auf dem Schreibtisch aufgestützt, hinter seinem drehbaren Bürostuhl stehen.
    Geblümt, dachte er.
    Ein sieben- bis achtjähriges Mädchen.
    Und plötzlich begann sich ein Gedanke in ihm zu formen.

52
    »Nein … nein, hör mir doch mal zu! Was?«
    Ben riss das Handy herunter, um mit beiden Händen das Steuer drehen zu können. Er war auf der Stadtautobahn unterwegs, und es war Berufsverkehr. Die Fahrzeuge fuhren schnell, und manchmal kam es ihm fast so vor, als würden sie Stoßstange an Stoßstange über die sechsspurige Fahrbahn brettern.
    »Sophie?« Er hatte das Handy wieder am Ohr. Im Rückspiegel sah er auf der rechten Fahrbahn einen gewaltigen Lkw herandonnern. »Es stört also gerade nicht?«
    Sie sagte wieder etwas, aber er drückte sie weg, ließ das Telefon in den Schoß fallen und achtete darauf, nicht schon wieder auszuscheren. Rechts ratterte der Sattelschlepper an ihm vorbei. Vor ihm fuhr eine endlose Kette von Lieferwagen, links überholte ihn ein Taxi mit überhöhter Geschwindigkeit. Gleich musste er selbst auf die rechte Spur wechseln, um den Abzweig zur Avus zu erwischen.
    Ein böses, lautes Hupen schien von hinten in seinen Kopf zu hacken. Unter seinen Achseln bildete sich Schweiß, und er riss das Steuer zurück. Aus dem Opel, der rechts an ihm vorbeiröhrte, sah er eine Silhouette zu ihm herüberschauen, die Gesichtszüge eines Mannes, verzerrt, wütend, der Arm fuchtelte durch die Luft.
    »Arschloch! Fick dich doch selbst, du verdammtes Arschloch!«
    Ben schlug mit der Hand auf das Steuerrad, gab Gas, zog hinter dem Opel endlich rechts hinüber und fuhr dicht an ihn heran, das Alarmsignal eingeschaltet, so dass beide Blinker regelmäßig blitzten. Die Bremsleuchten des Opels glühten auf. Ben trat auf die Bremse, sein Wagen fiel zurück. Er sah noch, wie der Opelfahrer ihn im Rückspiegel beobachtete. Dann schaltete er die Warnleuchte aus, setzte den Blinker. Und fuhr rechts raus auf die Avus.
    Hatte Götz ihn deshalb zu Lillian geschickt? Ausgerechnet ihn?
    Während Ben weiterfuhr, rasten die Gedanken durch seinen Schädel, Gedanken, die sich überschlugen, seit er wusste, wie alt das Mädchen gewesen war, dem das T-Shirt gehört hatte.
    Götz kannte ihn doch gar nicht und bat ihn dennoch, etwas so Wichtiges für ihn zu übernehmen? Das hatte Ben doch gleich

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